Königsweg

01

.
„Der Königsweg“ – mit großen Lettern wirbt eine Tageszeitung auf der Titelseite um Aufmerksamkeit. Der große rote Schriftzug buhlt um Aufmerksamkeit. Worte wie: „Die Krönung auf 133 Kilometern“ fesseln den Blick. Bilder von herrlichen Anstiegen auf Burgen beiderseits des Tales mit Blicken in die ferne Welt schüren das Fernweh. Aber halt, was war das! Premiumwanderweg? Filetstück unter den Wanderwegen in Nordhessen? Das begehrte Wandersiegel vom Deutschen Wanderverband verliehen? Mit mächtigem Geknarze öffnet sich die Schranktür. Verstaubt, verdreckt und ausgelatscht stehen die Wanderschuhe im Dunkeln müde da. Frisch gewienert gewinnen die Motorradstiefel den Augenblick der Sekunde. Das muss doch auch mit dem Motorrad gehen!
Der zweite Blick auf die Karte verrät, dass sich der Weg beiderseits der Werra entlang windet. Auf Grund der damaligen innerdeutschen Grenze begleitet das Grüne Band ein Stück weit den Pfad. Die Werra gibt mit ihrem Lauf die Richtung vor. Der Wendepunkt wird durch die Quelle aufgezeigt. „Gegen den Strom“ wird nun zum beflügelten Wort und trägt uns von dannen.

.

02 . 04

.

Mit sanftem Druck auf den Anlasserknopf bollert der Einzylinder los und Kämpft sich die erste Erhebung energisch hinauf. „Grüß Gott“ säuselt es von rechts. Das original bayrische Wirtshaus, die Königsalm, liegt mit herrlichem Talblick oberhalb von Nieste und wirbt um Gäste. Keine Pause, nur weiter! Rastlos stürzen wir uns die langgezogene S-Kurve hinunter. Voller Vorfreude wartet die nächste Erfüllung der Kurvensucht. Nach dem Überqueren der Autobahn beginnt der Kurventanz zwischen Anschlussstelle Hann. Münden und gleichnamigen Ort. In tiefen Schräglagen wird die herrliche Stadt erreicht. Fachwerk, bis sich die Balken biegen. 700 Fachwerkhäuser und Bauten der Weserrenaissance prägen stilsicher das Bild der Altstadt. Zielsicher finden Fulda und Werra hier zusammen, und die Weser wird aus ihnen geboren. Ein Blick auf den Weserstein genügt, um zu erkennen, dass sich unsere Flussrichtung von nun an auf Kurs Süd ändert. Am alten Welfenschloss vorbei kämpfen sich die Motoren neben dem Strom der Werra entlang, um dann auf der L564 eigenen Biegungen nachzugehen. Staugeplagte Dosenfahrer quälen sich über die nahe Autobahn. Auf kleinsten Straßen inhalieren wir lieber den Duft von Wäldern und Feldern. Unter dichtem, dunklem Blätterdach steigt die Straße stetig an. Oben angekommen, lichtet sich der Wald und prächtig liegt Hessens schönstes Schloss vor dem Lenker. Majestätisch thront das Schloss Berlepsch auf einem Bergsporn und hat schon für einige Filme eine dankbare Kulisse abgegeben. Unter vorgehaltener Hand wird erzählt, dass Thilo von Berlepsch selbst Nebenrollen in den Filmen besetzt hat. Die kurioseste dürfte sicherlich die als Buttler im eigenen Schloss gewesen sein!
Der Baron Fabian von Berlepsch hält heute den Stammsitz und ermöglicht sogar Trauungen in märchenhafter Kulisse. Nur durch diese unermüdliche Initiative ist es möglich, das Schloss in diesem Zustand zu erhalten. So werden hier allerlei Gaumenfreuden angeboten und Übernachtungsmöglichkeiten sowie unterschiedlichste Veranstaltungen an diesem ehrenwerten, historischen Platz erfreuen die Gäste. Ein Blick auf den in der Nähe hängenden Käfig genügt, um das Weite zu suchen.
.
04 . 05

.

Nach Querung der Werra surren die Profilblöcke auf kleiner Nebenstrecke durch die Kirschenstadt Witzenhausen. Eine Schräglage noch, dann folgen wir wieder dem Lauf des Flusses. Weit im Voraus thronen die Jugendburg Ludwigstein und die Burgruine Hanstein scheinbar direkt nebeneinander. Nach Werleshausen duckt sich die kleine einspurige Straße in die Landschaft und wird von herrlich rotem Klatschmohn begleitet. Sanfte Täler geben den Weg vor. Die beschauliche Ruhe wir jäh unterbrochen. Stöhnend nimmt das Fahrwerk seine Aufgabe auf. Über historisches Kopfsteinpflaster poltern die Räder immer höher bis uns eine fantastische Aussicht auf das Werratal zu Füßen liegt. Stolz ragt die Bergruine Hanstein in den Himmel und rahmt das Panorama ein. Sie wird zu einer der größten Burgruinen Mitteldeutschlands gezählt.
.

07 . 06

.
In der Ferne küssen die Sendemasten des Hohen Meissner den blauen Himmel. Schnell wird jenes kleine Kurvenparadies als nächstes Zielgebiet ausgewählt. Die B27 dient zum Zwischenspurt und lässt uns umgehend Rot sehen. Eine langgezogene Rechte wird von unzähligen Warnbaken zugepflastert. Im Wechselspiel von weiß – rot wird der Begriff Schilderwald vollkommen treffend definiert. In Oberrieden rücken die Häuser eng an den Straßenbelag. Aus dieser Schleuse ausgespuckt, donnern wir in bester Schräglagenlaune durch die Ausläufer des Hohen Meissner. Ein Hinweisschild auf der Gefällstrecke lässt die gelochten Bremsscheiben surren. Um die Westerburg zu entern, muss eine leichte Offroadpassage bewältigt werden. Ein kräftiger Gasstoß lässt uns die letzte Erhöhung erstürmen und knisternd gönnen sich die Motoren etwas Erholung. Der Magenmotor wird ebenso auf Schwung gebracht. In herrlicher Waldlage gleitet der Blick über das Tal, in dem Bad Sooden Allendorf eingebettet ist.
.

08 . 09

.
Die Zeit verstreicht und mahnt zum Angasen. Im Formationsflug stürzen wir uns in den Kurort hinunter, um auf der B27 Strecke zu machen. Linker Seite erhebt sich das Schloß Rothestein, aus dem grünen Blätterdach der Höhenzuges Gobert. Die Flussschleife der Werra trennt uns und so muss ein Fernblick auf das neogotische Gemäuer genügen. Der rote Sandstein, auf welchem das imposante Gebäude errichtet wurde, dient gleichzeitig als Namensgeber. Aus Roter Stein leitet sich Rothestein ab.
.

12 . 10

.
Fast schon in Sichtweite thront die Höhenburg Fürstenstein an der Bundesstraße oberhalb von Eschwege-Albungen. Die nahe Brücke ebnet die Anfahrt. Auf kleinem Weg versperrt ein Durchfahrtsverbotsschild kurz vor dem Ziel das Weiterkommen. Da sich das Anwesen in Privatbesitz befindet und Besichtigungen nicht möglich sind, muss ein Blick genügen. Ein kurzer Zwischensprint lässt uns Eschwege erreichen. Golden glänzt der überdimensionale Wasserhahn der Stadtwerke. Ununterbrochen sprudelt das kostbare Nass mit mächtig dickem Strahl. Am Rand der Altstadt thront das dreiflügelige, ehemalige Landgrafenschloss im Renaissance-Stil aus dem 16. und 17.Jahrhundert. Seit 1821 diente es zunächst als Sitz des Landrats und später der Kreisverwaltung.
Der Werratalsee entlässt uns in die nächsten Kurvenkombinationen. Auf kleiner Nebenstrecke werden ab hier die Aussenflanken der Reifen saubergeputzt. Die auserkorene Route muss sich nicht hinter dem Voralpenland verstecken. Alle Gänge werden durch die Schaltbox gesteppt. Ein ständiges Auf und Ab lässt einige Fernblicke zu und die Räder rollen dynamisch dahin. Von links grüßt das Schloss Wolfsbrunnen am Fuße des Dachsberges.
.
12 . 13

.

Rasch rauscht es aus dem Blickfeld und der Hülfensberg mit seinem weit sichtbaren Kreuz liegt vor dem Lenker. Zu DDR Zeiten lag dieser in Grenznähe und gehörte zum Sperrgebiet. Zum wiederholten Mal rollen die Räder über die ehemalige innerdeutsche Grenze. Einen Pass muss glücklicherweise niemand mehr vorzeigen. An einigen Stellen mahnen Schilder und erhalten gebliebene Besfestigungsanlagen an diese unrühmliche Zeit. Nach unzähligen Schräglagen benötigt der Gleichgewichtssinn eine kleine Ausszeit. Die hoch oben gelegene Burg Normannstein bietet sich dafür regelrecht an. Weiter unten tief im Tal rauscht stetig die Werra. Wer ausreichend Zeit im Gepäck hat, sollte sich im großen Viereckturm die Ausstellung „Werraburgen über Werrafurten“ ansehen. Umfassend wird sich hier mit den zahlreichen Burgen im Werratal beschäftigt. Die unüberschaubare Vielfalt wird wie auf einem Silbertablett präsentiert. Der schmeichelhafte Name „Schwester der Wartburg“ macht die Entscheidungsfindung der weiteren Route leicht.

.

14

.

Ein paar Kurven tiefer befinden wir uns wieder auf Augenhöhe mit dem Fluss. Einige beherzte Drehbewegungen am rechten Lenkerende sind nötig, um mit Schwung und Stöhnen in den Federelementen die historische Pflasterstraße hinauf zu poltern. Mit mächtig viel Trubel wird der Empfang auf der Creuzburg zelebriert. Das Publikum saugt das mittelalterliche Spektakulum umgehend auf. Eine Burg, vollgestopft mit Ständen und viel historischer Kleidung, wirbt um die Gunst der Besucher.
.

15 . 16

.
Nur kurz erzeugt das Spektakel Wirkung, denn der Fahrwind lockt mehr. Die B7 führt die Motorräder in die Lutherstadt Eisenach hinein. Die Wartburg, welche zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, machte den Ort weltbekannt. In diesem historischen Gemäuer übersetzte Martin Luther das Neue Testament vom Griechischen ins Deutsche.

.

17 . 18

.

Wir brechen wieder auf, denn am Tor zum Thüringer Wald locken weitere Kurven. Das Ortausgangsschild verschwindet im Spiegel, der Kurventanz beginnt. Im Rausch der Kurvenführung wird das Schloß Altenstein rechts liegen gelassen. Im ständigen Auf und Ab würdigen wir den bekannten Trusetaler Wasserfall keines Blickes und auch dem Juwel der Renaissance Schlösser, dem Schloss Wilhelmsburg, wird ebenso nur kurz der Hof gemacht. Viel zu groß sind die Kurvenfreuden.
.

19 . 20

.
Dankbar über die geschlossenen Türen im Kloster Veßra wird weiterhin mächtig am Gaskabel gezogen. Über einen Bergrücken gleitet der Blick nach rechts und links tief in das Tal. Mit solch königlichen Blicken macht das Touren unsagbaren Spaß! Der Tag neigt sich dem Ende zu und so kehren wir slalomartig in Masserberg ein. Unfehlbar weist ein stählernes Motorrad den Weg zum Hotel Rennsteig. Hoch gelegen, mit Panoramablick auf den Thüringer Wald, fliegen wir ein. Kaum berührt der Seitenständer Asphalt, da wird schon nach einem kühlen Getränk gefragt. Ja gerne, die Sachen finden auch später den Weg in das Zimmer. Nachdem der Körper von dem Kurventanz wieder auf Normaltemperatur gebracht wurde, geniessen wir diesen fantastischen Wohlfühlmoment. An diesem Ort, der sich zu einem regen Treffpunkt der Motorradfahrer etabliert hat, lassen wir die Route noch einmal vor dem geistigen Auge passieren. Gemeinsam kommt uns die Erkenntnis: Ja, es ist ein gar königlicher Weg!

.

21 . 22

.

Infokasten Königsweg

 

 

Allgemeines

 

Diese Tour beginnt in Hannoversch Münden, da, „Wo Werra sich und Fulda küssen…“ und der Weserfluss geboren wird. Der Weg führt über hunderte von Kilometern durch Natur und Kultur, immer stromaufwärts entlang der Werra bis zur Quelle. Problemlos lässt sich die Route auch von Süden in Richtung Norden erkunden. Die Strecke kann in einem Wochenende gefahren werden. Eine Vielzahl von Burgen lädt jedoch zum Bestaunen ein und lässt die Zeit im Handumdrehen verstreichen. Um den vielen möglichen Sehenswürdigkeiten gerecht zu werden, sollte für diese Tour mindestens ein verlängertes Wochenende eingeplant werden.

 

 

Beste Reisezeit

 

Als ideale Reisezeit bieten sich die Monate Mai bis Oktober an. Selbst in der Hochsaison wird man auf den vielen kleinen Strecken kaum mit hohem Verkehrsaufkommen konfrontiert. Die Wartburg sollte allerdings an Wochenenden und Feiertagen gemieden werden. Selbst wenn es in den Niederungen angenehm warm ist, können in den Höhenlagen des Thüringer Waldes immer noch kühle Temperaturen herrschen.

 

 

Anreise

 

Der Startpunkt in Hannoversch Münden lässt sich gut über die A7 erreichen. Alternativ besteht die Möglichkeit, die Tour in Thüringen zu beginnen. Ebenso verkehrsgünstig in Deutschland gelegen erreicht man den Ausgangspunkt Masserberg schnell über die A7 und A9.

 

 

Übernachten

 

Ein derartiges Kurvenparadies wartet natürlich mit einem entsprechenden Hotel auf. Eine besondere Empfehlung ist das motorradfahrerfreundliche **** Sterne Hotel Rennsteig in Masserberg. Auf fast 900 Höhenmetern bietet sich ein fantastischer Blick auf den Thüringer Wald.
Hotel Rennsteig
Am Badehaus 1
98666 Masserberg
Telefon: 036870/80

 

 

Sehenswertes

 

Ein absolutes Highlight sind natürlich die Burgen und Schlösser, welche sich jenseits vom Ufer der Werra in den Himmel erheben. So ergibt sich zwangsläufig eine Kurvengarantie vom Wasserspiegel der Werra zu den Höhen der Burganlagen. Außerdem bieten sich einige Wehrkirchen und Franziskanerklöster zum Erkunden an. Vielen von ihnen wird wieder Leben eingehaucht und laden mit unterschiedlichen Veranstaltungen wie Ritter- und Burgfesten ein.

 

 

Karten

 

Einen guten Überblick über den Werra-Burgen-Steig gibt die Homepage Werratal Touristik e. V. Die dort abgebildete Karte zeigt die vielen Burganlagen und Orte. Ein Flyer wird auf Wunsch jedem Interessierten gerne per Mail zugesendet.
/www.werra-burgen-steig.de

.