Rhön

Hessens schönste Berge!

.

hp-01

.

Drei unterschiedliche Gipfel ragen in den hohen Himmel. Drei deutsche Länder teilen sich dieses Mittelgebirge. Drei Bundesländer konnten die Herkunft des Namens Rhön nicht eindeutig klären. Wir erklären dieses Kurvenparadies jedoch schnell entschlossen zu unserem ausgewählten Zielgebiet, um bei herrlicher Abendsonne den kleinen Ort Unterbernhards zu erreichen.

.

hp-02 . hp-03

.

Auf kleinsten Straßen wird der Tau der Morgenstunde vom Fahrtwind verweht. Die Räder rollen förmlich durch die Vorgärten der hier ansässigen Bauern. Selbst dem Mittelstreifen fehlt der Platz auf dem schmalen Asphaltband. Nach einigen schwungvollen Kurven ziehen wird den Zündschlüssel beim Örtchen Steinwand. Die Motorradstiefel müssen für einen Augenblick als Wanderschuhe zweckentfremdet werden. Über mächtige Felsen kraxeln wir immer höher, um dann oben auf der rund einen Kilometer langen Phonolitenwand zu stehen. Weit gleitet der Blick von der berühmtesten Felsformation in die Rhön. Kletterer nutzen natürlich die steile Seite, um die Wand zu bezwingen. Eine Einladung für die Abkürzung senkrecht in die Tiefe lehnen wir jedoch dankend ab.

.

hp-04 . hp-05

.

Wir rollen weiter, um wieder ein paar Kurven zu geniessen. Die Motoren unserer Gefährte verstummen kurz darauf auf dem Wachtküppel. Wer hier noch mit dem Kompass navigiert, ist verlassen! Der erloschene Vulkanschlot hat zu seinen damaligen aktiven Zeiten so viel Magneteisenstein mit an die Oberfläche gebracht, dass sich die Nadel wirr drehen sollte. Einen Kompass haben wir nicht dabei, um dieses zu überprüfen. Das Navi funktioniert jedenfalls noch korrekt. Vorerst!

.

hp-06

.

Über den Hochrhönring surfen wir über den heißen Asphalt. Leichtfüßig folgt Kurve auf Kurve in dieser Wandelhalle der Natur. Die BMW klappt mit der Präzision und Beständigkeit eines Schweizer Taschenmessers in die Kurven hinein. Hoch oben auf der Wasserkuppe gehört ein Stopp einfach zum Pflichtprogramm. Mit 950 Seemetern zählt der Berg zum höchsten der Rhön und Hessens. Erfahrene Piloten drehen hoch oben am Himmel andere Kurven und so betreten wir ein anderes Fortbewegungsmittel, ein kleines Flugzeug. Nun genießen wir im Rausch der Geschwindigkeit das herrliche Panorama der Rhön, um es aus der Luft zu bestaunen. Von hier aus können wir die Radarkuppel und das Fliegerdenkmal bereits sichten, um anschließend am Fuß derer zu stehen.

.

hp-07 . hp-008

.

Aber nicht nur wir genießen das gute Wetter, auch Paraglider nutzen die Thermik und können einfach sowie bequem den angedachten Startplatz erreichen. Das Radom mit seiner Besucherplattform zählt als Hessens höchster Aussichtspunkt. Wenig auffällig, jedoch unmittelbar daneben, markiert ein Stein die höchste Stelle des Gipfels. Buntes Gewusel am Himmel zeigt unmissverständlich den Startplatz der Paraglider auf. In Reih und Glied stehen die mutigen Piloten mit dem vom Wind getragenen Schirm und warten auf den günstigen Startpunkt. Kurze Zeit später bucht meine Begleitung Tina wagemutig einen Tandemsprung bei Paul von der Flugschule Papillon. Und schon geht es los in die schwebende Lautlosigkeit. Nur das Rauschen der Tragegurte stört die Einsamkeit ein wenig. Ansonsten herrscht absolute Stille hoch oben am Himmel und ein erlebnisreicher Tag neigt sich leider schon dem Ende zu. Die unzähligen Kurven in der Luft und auf dem Asphalt haben zutiefst Eindruck hinterlassen, nun aber wird es Zeit, den Lenker in Richtung Unterkunft zu bewegen. Dieses Vorhaben wird von dem Hinweisschild „Fuldaquelle“ noch einmal jäh unterbrochen. Umgehend sirren die Bremsscheiben heiß, damit wir dann im kühlen Nass eine kurze Erfrischung nehmen können. Die Quelle trägt, ebenso wie ca. dreißig andere Flüsse und Bäche, zum Namen der Wasserkuppe bei. Diese entspringen alle auf diesem imposanten Massiv und verliehen diesem Berg seinen heutigen Namen.

.

hp-09 . hp-10

.

Im Trott des Kurvenschwungs werde ich plötzlich wachgerüttelt. Hat der Wachtküppel unser Navi doch nachhaltig geschädigt? Es schickt uns mitten durch den Wald! Die Wege werden immer schlechter und enger. Von einem anfangs noch asphaltierten Verbindungsweg bleibt nichts mehr übrig! So heißt es für uns umdrehen, da heute die Stollen fehlen! Wieder auf befestigten Wegen erreichen wir unsere Unterkunft. Ein abschließender letzter Blick auf den Tagestrack am Abend lässt nochmal den Atem stocken. Höchstgeschwindigkeit: 228 Kilometer in der Stunde! Das mit der BMW Sertao? Bis der Verstand einsetzt, dauert es ein wenig und schnell wird klar. Mensch, das war doch im Flieger!

.

hp-11

.

Der erste Tag hat uns den „Größten der Rhön“ erreichen lassen. Nun folgen die nächsten! Auf kleinen Straßen sind wir alleine unterwegs und bummeln durch die einsame Natur. Ein Schild huscht vorbei. Stand da was von Hochrhönstraße? Egal, Kurven gibt es genug! Die Landschaft ist geprägt von Fernsicht auf ein Hochplateau, welches mit einzelnen Bäumen durchsetzt wird. Im Kurvensurfen durch die Natur rollen die Motorräder dann schließlich auf das Kloster Kreuzberg ein. Wallfahrer, Wanderer und auch das schmackhafte Klosterbier zieht viele Freunde an. Um jedoch auf den Kreuzberg selbst zu gelangen, muss wieder ein kleiner Fußmarsch eingelegt werden. Zur Belohnung befindet man sich dann auf 928 Meter über NN und dem dritthöchsten Berg der Rhön. Vom heiligen Berg der Franken gleitet der Blick auf die Wasserkuppe und auch der zweithöchste Gipfel der Rhön, der Dammersfeld, wird gesichtet. In der Nähe ragt die imposante Kreuzigungsgruppe in den Himmel. Ein kleines Schild am Wegesrand lädt zur Gemündener Berghütte, der urigen Berghütte am Kreuzberg, ein. Dem Pilgerstoff aus der Brauerei widerstehen wir und speisen kräftig und rustikal. Mit weitem Blick auf die Berglandschaft fühlen wir uns an diesem Ort fast nach Bayern versetzt.

.

hp-12 . hp-13

.

Ein Wechselspiel aus Licht und Schatten lässt die Räder über kleine Straßen laufen. Viele Wege fügen sich in ihrer Umgebung sanft ein und schaffen so naturverbundene Touren. Kurz darauf erreichen wir die Salzburg in Bad Neustadt. Diese zählt heute mit zu den größten Burgruinen Deutschlands. So lockt diese uns mit einer herzförmigen Stadtmauer und dem ältesten Technikdenkmal der Rhön an. Das Rad, welches von vier Männern bewegt werden musste, um Wasser zur Burg hinauf zu fördern, bleibt jedoch hinter verschlossenen Türen. Keine Besichtigung! Privatbesitz! Harsch werden wir abgewiesen!
Unverrichteter Dinge spülen uns schwungvolle Kurven nach Tann. Nach alter, herkömmlicher Art wird das Renaissance-Stadttor aus dem Jahre 1557 mit den Pferdestärken der aktuellen Zeitepoche durchritten und gibt Einlass. Unzählige Fachwerkhäuser aus dem 17. und 18. Jahrhundert säumen die Straße. Gegenüber der Stadtkirche und des Stadtbrunnens fällt uns das Elf- Apostelhaus, welches um 1500 gebaut wurde, ins Auge und besticht durch seine an der Außenwand angebrachten Reliefs, die Christus und zehn seiner Apostel abbilden. Der elfte und zwölfte gingen leider verloren. Unweit befindet sich das Rote, Gelbe und Blaue Schloss. Wer darin drei Schlösser vermutet, befindet sich auf dem Holzweg. Es handelt sich um die Schlossanlage Tann, welche um einen fast quadratischen Innenhof gebaut wurde und das Stammhaus der Familie Tann darstellt. Trotz Privatbesitz werden jedoch Besichtigungen möglich gemacht und wir erhalten die Gelegenheit in die Geschichte der Familie und des Schlosses einzutauchen. Das Rote Schloss befindet sich auf der Stadtseite und wurde bis 1558 im Renaissancestil erbaut. Seinen Namen verdankt es den rot gestrichenen Fenstern und dem ebenfalls rot gestrichenen Fachwerk. Das Blaue Schloss bildet den nordöstlichen Eckanbau der Anlage und wurde bis 1574 errichtet. Hier tragen die Fenster eine blaue Umrandung. Das Gelbe Schloss besteht aus einer Dreiflügelanlage und wurde um 1693 errichtet. Es wurde in leuchtendem Gelb angeputzt und strahlt im Sonnenlicht.

.

hp-14 . hp-15

.

Nach so viel Kultur wird das Barometer wieder auf „Fahrt“ gestellt. Schwungvoll werden die Motorräder durch das Auf und Ab der Kurven vom Baumeister Natur getrieben. In Empfertshausen macht ein übergroßes Holzschild auf die hier herrschende Schnitzerkunst aufmerksam. Als bekanntes Schnitzerdorf begann im 18. Jahrhundert die Entwicklung dieses Handwerks. Zu damaliger Zeit begann man mit dem Schnitzen von Druckstöcken für den Stoffdruck. Die im Jahre 1889 gebaute Schnitzerschule wird heute als Begegnungsstätte und Museum genutzt.
Nur einen Gasstoß entfernt zeigt sich der Ort Klings. In dessen Nähe befinden sich auf einem Hochplateau die jahrhundertalte Hexenlinde und der Festplatz zur Walpurgisnacht. Uns steht nicht der Sinn nach Hexenromantik, wir suchen uns ein lauschiges Plätzchen, um das mitgeführte Picknick an einem schönen Platz inmitten der Natur zu genießen. Nach der Erholungspause böllern die Einzylinder über die Deutsche Allenstraße. Der Ibengarten in Glattbach lässt umgehend die Bremsscheiben wieder heiß laufen. Der größte Eibenwald Europas stellt eine botanische Rarität dar. Ein Baumbestand, der mit 368 Eiben aufwarten kann. Davon sind bereits 50 Stück über 500 Jahre alt! Da wir nicht so viel Zeit im Gepäck haben, muss ein kurzer Blick genügen. Als nächstes schlagen wir ein unrühmliches Kapitel der deutschen Geschichte auf. Point Alpha war zu Zeiten des kalten Krieges einer von vier US Beobachtungsstützpunkten an der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Einen Reisepass muss hier heute glücklicher Weise niemand mehr vorweisen. Als Mahn- und Gedenkstätte zeigt diese den Wahnsinn vergangener Zeiten auf. Unzählige erhaltene Grenzanlagen zeugen heute noch vom deutschen Trauma.

.

hp-18 . hp-17

.

In Gedanken versunken entfliehen wir doch lieber in die Natur und treiben die Einzylinder auf der kleinen Landstraße L2603 dem Ort Spahl entgegen. Im urigen Gasthof Heile Schern werden die letzten, trüben Gedanken heruntergespült und die außerordentlich eigenwillige Ausstattung des Gasthofes bestaunt. Danach wartet das kleine Sträßchen noch mit ein paar flotten Schwüngen auf und lässt uns den Parkplatz an der Milseburg erreichen. Die Schuhe aus den Tiefen der Seitenkoffer sind schnell ausgegraben. Fix wird die Fußbekleidung gewechselt. Ein nicht allzulanger Marsch und wir erblicken unter tiefblauem Himmel die Kreuze des Berges Milseburg schon von Weitem. Immer höher führt der steinige Weg und gibt immer wieder unglaublich weite Ausblicke auf die Rhön frei. Ein letzter, steiler Anstieg führt über ein Geröllfeld und lässt uns die Kreuzigungsgruppe erreichen. Durch seine exponierte Lage stellt dieser einen der schönsten Aussichtspunkte der gesamten Rhön dar. Ein unendliches Panorama liegt uns zu Füßen. Entspannt saugen wir die Ruhe und Weite der Landschaft in uns auf. Hier begreifen wir die sinnbildliche Bedeutung des Begriffes „Land der offenen Ferne“.

.

hp-19 . hp-20

Nach dem Abstieg fliegen wir wieder durch die beschauliche Landschaft und stoppen am Schloss Mackenzell. Es zählt wohl zu dem einzigen Wasserschloss in Hessen, das heute als Kurklinik genutzt wird. Eine Besichtigung ist nicht möglich. Es befindet sich in Privatbesitz und wird als medizinische Einrichtung und Kurklinik für suchtkranke Frauen genutzt. Außen herum führt ein Rundweg. Dichter Bewuchs verhindert eine vollständige Sicht auf das aus dem 12. Jahrhundert stammende Gebäude und schützt so die Privatsphäre der Patientinnen.

.

hp-21 . hp-22

.

Unsere Reise durch die Rhön neigt sich dem Ende zu. Wir surfen noch ein wenig durch das „Land der offenen Ferne“, bevor wir wieder reich an Erkenntnissen und Erfahrungen heim segeln müssen.

.

hp-24

.

Infokasten Rhön
 .
Allgemeines
 .
Die Rhön stellt ein Mittelgebirge im Dreiländereck von Bayern, Hessen und Thüringen dar und teilweise vulkanischen Ursprungs. Die Wasserkuppe ist die höchste Erhebung der Rhön. Gepriesen als »Land der offenen Ferne« bietet es dem Motorradfahrer packende und kurvenreiche Strecken mit vielen beeindruckenden Aus- und interessanten Einblicken. Auf Grund seiner Lage im ehemaligen, strukturschwachen, innerdeutschen Grenzgebiet hält sich die Industrialisierung mit relativ geringer Bevölkerungsdichte in Grenzen.
 
Beste Reisezeit
.
Je nach Wetterlage kann diese Tour während der gesamten Motorradsaison von März bis Ende Oktober befahren werden. Zu beachten ist, dass in den etwas kargeren Höhenlagen vor allem am Anfang und am Ende der Saison oftmals mit schlechtem Wetter gerechnet werden muss.
 .
Anreise

.

Aus allen Himmelsrichtungen Deutschlands lässt sich die Rhön einfach erreichen. Zentral eingebettet befindet sie sich zwischen den Autobahnen A4, A7 und A71. Daher lässt sich immer eine passende Ausfahrt wählen, was eine schnelle Anreise ermöglicht.
 .
 Übernachten
 .
Wir buchten eine Unterkunft im Ferienhaus „Florentina“ der Familie Klein in Hilders, Ortsteil Unterbernhards.
Ebenso bietet die Website www.rhoen.de umfassende Übernachtungsmöglichkeiten in der wunderschönen Rhön und der Umgebung an.
 .
Sehenswertes
 .
Die Wasserkuppe stellt den beliebtesten Treffpunkt der Region dar. Das Segelflugmuseum beinhaltet fantastische Exponate. Gleich nebenan können die unterschiedlichsten Himmelflieger live bestaunt werden. Regelmäßig bietet sich die Möglichkeit zu motorisierten Rundflügen, Segelflügen und Tandem Paragliding.
 Das Kloster Kreuzberg zieht mit seiner klostereigenen Brauerei, der Wallfahrtskirche und der Kreuzigungsgruppe seine Gäste an. Zu finden ist es unter folgender Adresse:
Kloster Kreuzber 2
97653 Bischofsheim/Rhön
Ein weiterer, sehenswerter Zwischenstopp stellt Tann mit seinen Fachwerkhäusern, dem Museumsdorf und seinem wunderschönen Schloss dar. Die saisonalen Besichtigungszeiten sind zu beachten.
Wer den Magnetismus des Wachtküppels überprüfen möchte, sollte einen Kompass im Gepäck haben.

.

hp-23

.