Fuerteventura

Ein Hauch von Dakar!

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Regen trommelt ununterbrochen an das Fensterglas. In kleinen Rinnsalen sickert das Nass herunter. Die kalte Nacht lässt das Wasser gefrieren. Leise wird die Landschaft mit einem weißen Kleid zugedeckt. Grauschwarz mit Weiß zeigt sich nun die Natur und alles erstarrt. Der Winterblues erfasst um diese Jahreszeit wohl jeden Motorradfahrer. Der Globus wird zum Würfelbecher. Eine Zielregion mit motorradfreundlichem Wetter muss gefunden werden. Der Finger stoppt die rotierende Weltkugel bei den Kanarischen Inseln. Fuerteventura wird zu unserem Ziel. Das Hotel inklusive Motorräder ist schnell bei Enduro-Erlebnisreisen gebucht. Vier Stunden Flug versprechen motorradfahren bei warmen Wetter.
Weit hinten am Horizont taucht die Westküste von Afrika auf. Die untergehende Sonne durchzieht den Himmel mit einem satten Abendrot und der Flieger setzt sanft auf der Landebahn auf. Wir checken bei 21°Celsius in das Hotel ein. Die Brandung des Atlantik wiegt uns spätabends in den Schlaf.
Aufregung macht sich am frühen Morgen breit, kommen wir mit den Enduros überhaupt zurecht? Reichen die viel zu kurzen Beine auch auf den Boden? Fragen, die gleich gelöst sein werden, denn lässig und entspannt stehen die KTM 450EXC und 530EXC auf den Seitenständern vor unserem Hotel. Nach einer kurzen Einweisung von Thomas erklimmen wir ungeahnte Sitzhöhen. Der Spaß kann beginnen. Zum Einfahren graben sich die Stollen in den schwarzen Lavasand und folgen der Piste in Richtung Corralejo immer am Meer entlang. Majestätisch erhebt sich der Leuchtturm Faro de El Tostón in den sonnendurchfluteten Himmel und die ersten Sandfelder machen sich auf dem Fahrweg breit. Blendend weiß glitzern unzählige winzige Steinchen in der Sonne. Das Schlingern im Fahrwerk zeigt deutlich den Tiefsand an und erfordert Konzentration. Als Offroadanfänger bekommt Tina immer wieder Tipps von Thomas zur Fahrtechnik und der optimalen Geschwindigkeit. So werden die ersten Sandfelder gemeinsam ohne Schwierigkeiten gemeistert. Immer wieder gleitet der Blick auf die erloschenen Vulkankegel, die von schwarzem Lavasand umgeben werden.
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Der Ausblick wird jäh von einem großen Stein vor dem Vorderrad unterbrochen und der Focus auf das Fahren blitzartig wieder hergestellt. Weit hörbar schlägt die Brandung gegen die schwarzen Klippen. Schneeweiß sorgt der feine Sand für einen besonderen Kontrast in der puren Landschaft. Vor Corralejo wird rechts in die Berge abgebogen. Blinker setzen? Fehlanzeige! Auf das technisch Nötigste reduziert pflügen die Sportgeräte durch Lavaschotter immer weiter nach oben. Mit 269 Höhenmetern steckt der Bayuyo sein Haupt in den blauen Himmel. Durch hügelige Landschaften surfen wir in einen wunderschönen Talkessel hinein, doch die Krönung der Landschaftsszenerie ist der Krater eines erloschenen Vulkans, den wir umrunden. Eine gefühlte Ewigkeit genießen wir die atemberaubende Landschaft.
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Mächtige Staubfahnen wirbeln im Sog des Fahrtwindes und der nächste steile Berg baut sich mächtig vor dem Lenker auf. Eine Fahrspur zieht sich linker Hand zum Gipfel hinauf. Jetzt bekomme ich eine Einweisung in die Fahrtechnik und ein paar gute Ratschläge mit auf den Weg. Die letzten Zweifel verfliegen, nachdem Thomas die Möglichkeit des Machbaren vorgezeigt hat und mit stehendem Hinterrad den Berg wieder herunterrutscht. Der Versuch wird gestartet. Mein Anlauf wird jedoch auf das gefühlte Dreifache ausgeweitet. Mit Schwung fahre ich dem steilen Gipfel entgegen. Die Fahrspur passt, auch die Steine auf dem Weg schluckt das Fahrwerk anstandslos weg, doch kurz vor dem Gipfel tauchen tiefe Auswaschungen von unzähligen letzten Gasstößen der vorherigen Gipfelstürmer auf. Das Fahrwerk bockt und die Maschine schüttelt sich wie ein wilder Mustang auf seinem ersten Rodeoritt. Gas halten oder aufgeben? Über diesen Gedanken lässt die rechte Hand den Gasschieber im Vergaser kurz herabsinken. Ein erneuter beherzter Gasstoß folgt. Nun reißt auch noch die Traktion ab. Das Hinterrad befördert Steine in die Luft, statt mich nach oben. Verloren! Eine Ausfahrt aus dieser steilen Sackgasse muss her. Mit einem kräftigen Zug am Lenker lässt sich die Maschine aus den Auswaschungen im rechten Winkel zur geplanten Fahrspur lenken. Quer zum Hang wird die Maschine gesichert. Schnell noch das Gewicht in Richtung Gipfel verlagern und mein Fuß erreicht den Boden. Ein kurzes Durchatmen lässt Luft, um den Rückzug anzutreten. Mit Intervallbremsungen rutsche ich schweißgebadet wieder abwärts.
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Glücklich darüber, wieder heile unten angekommen zu sein, surfen wir weiter durch die fantastische Landschaft dem Hafen in Corralejo entgegen. Köstliche Hausmannskost ziert den Tisch und die verbrannte Körperenergie wird aufgetankt. Die Zeit verrinnt viel zu schnell und die Sonne berührt schon fast den Horizont. Rasch werden die Motoren unserer Motorräder zum Leben erweckt, um auf den nun bereits bekannten Weg die Rückfahrt anzutreten. Gemütlich fahre ich mit gemäßigtem Abstand voraus, denn Thomas nimmt sich wieder Tinas Fahrtechnik an. Unvermittelt braust einer links und der andere rechts mit recht zügigem Tempo an mir vorbei. Verdattert hebe ich die linke Hand fragend zu Thomas in die Höhe. Es geht doch! Mir bleibt nichts weiter übrig, als deren Staub zu folgen. Die Nacht bricht schneller herein als vermutet. Unsere mickrigen Scheinwerfer lassen uns in der Dunkelheit fast blind den Weg ertasten. Im letzten Tageslicht erreichen wir das Hotel und der ereignisreiche Tag klingt entspannt am Meer aus.
Am darauffolgenden Tag kitzelt uns die Sonne aus den Betten. Sofort rollen die Räder in Richtung Süden. Der Weg verläuft immer in Sichtweite des Wassers. Hoch stehen die Klippen der Steilküste über der Brandung. Das Rauschen des Meeres erscheint unendlich in der Einsamkeit der rauen, kargen Landschaft. Ab hier wird die Piste stetig gröber. Auswaschungen der seltenen Regenfälle zieren den Weg.
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Kaum spürbar durchpflügen die Räder das trockene Flussbett des Barranco de Tebeto. In einer Talsenke müssen die Stollen wieder durch Tiefsand spuren. Direkt am Meer bilden sich windgeschützte, feine Sanddünen. Gelegen im Naturschutzgebiet der Insel werden die Dünen so nachhaltig geschützt. Hier müssen wir aufpassen, wo wir hinfahren, denn das Verlassen der genehmigten Wege wird nicht geduldet, auch das Verursachen von Lärm und Schmutz ist hier nicht gern gesehen. Zum Glück sind solche Probleme bei geführten Touren vorab geklärt und wir drehen weiterhin kräftig am Gaszug, um den Sand fliegen zu lassen, ohne uns sorgen zu müssen.
Auf kurzen steilen Wegen verlassen wir diese Einöde der Natur. Das Vorderrad lupft leicht in die Luft beim Heraufklettern der steinigen Auffahrt, denn es geht wieder im zügigen Fahrtempo voran.
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Die Piste schlängelt sich durch die bizarre Landschaft und wird mit Kurven inmitten des vielen Sandes gespickt. Eine steile Abfahrt lässt blitzschnell die Bremsscheibe heiß laufen und fordert unser ganzes Können. Loses Geröll und ein paar enge Serpentinen bringen uns hinunter zum Meer, wo wir der Sonne dabei zusehen können, wie sie sich im Meer spiegelt, während wir unseren redlich verdienten Kaffee in Los Molinos schlürfen.
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Nach dem Kräftetanken kämpfen wir uns mit unseren Maschinen diese Geröllauffahrt wieder hinauf und folgen ein Stück des Weges. Links von uns erhebt sich der Montaña de Tindaya in die Höhe. Direkt am Fuße des Berges liegt das gleichnamige Dorf. Einer Schotterautobahn gleich, folgen wir der staubigen Piste im Auf und Ab der Berge, um dann vor dem trockenen Flussbett des Barranco de las Lajas zu stehen und uns einer weiteren Herausforderung zu stellen. Steil geht die sandige Passage hinab. Tina scheut sich, das Motorrad hinein zu fahren. Thomas hilf aus und erkennt sofort ihre Sandallergie. So wird die „Sonderprüfung Wellenreiten“ in das Lastenheft gesetzt und nimmt sie wieder an seine Seite. In der richtigen Fahrgeschwindigkeit des Sandsurfens angekommen, schickt er Tina dann in den angewehten feinen Sand am Rand des breiten Bachbettes. Ein Ausweichen auf besseres Terrain ist unmöglich. denn Thomas bleibt immer neben dem schlingernden Motorrad, gibt die richtige Geschwindigkeit vor und riegelt so das Schlupfloch stetig ab. Tinas Arme werden zusehends länger und auch die Griffe des Lenkers benötigen eine Pause von ihrem beherzten Zupacken. Wir dürfen jedoch noch weiter Energie verbrauchen und entdecken eine riesige Düne als Spielplatz. Thomas zeigt wieder das Machbare auf und pflügt sich mit mächtiger Sandfahne durch. Ich bevorzuge die Abkürzung über den Kamm und grabe das Motorrad bis zur hinteren Steckachse ein. Nichts geht mehr! Jeder Gasstoß lässt die Maschine nur noch tiefer versinken. Ein seitliches Umlegen und Herausziehen aus der Grabungsstelle macht die Bahn frei für den nächsten Versuch. Vorsichtig geht es aus dem Sandmeer auf direktem Weg hinaus. Ein beherzter Dreh am Gasgriff lupft das Vorderrad über eine Kante wieder in das Flussbett. Gemeinsam rauschen wir weiter und toben uns im Sandkasten aus. Jeder sucht sich nun seine eigene Fahrspur. Mit einem kleinen Dreh am Gas werden Sandfontänen vom Hinterrad in die Luft katapultiert.
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Durch den stetig enger werden Canyon kraxeln wir uns beharrlich weiter hinauf. Eine Abbruchkante versperrt schließlich das Vorankommen. Mit Schwung muss das Motorrad aus dem Pfad seitlich steil hinausgeritten werden, um so die drei Meter hohe Abbruchkante umfahren zu können. Es wird immer enger. Die Steilwände berühren fast den Lenker. Ein riesiger Hangabrutsch hindert uns nun endgültig am Weiterkommen. Auf demselben Weg müssen wir also den Rückzug antreten. Zur Steigerung des Schwierigkeitsgrades kämpfen sich die Stollenreiter durch ausgespülte Wege, Steinplatten und Treppen, geschaffen vom Baumeister Natur. Unsere Kräfte schwinden spürbar.
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Mit wehenden Staubfahnen führt der Weg bis zu einer Palmengruppe. Tina darf sich im Schatten ausruhen, während Thomas uns eine Sonderfahrt offenbart und diese als „Mettbrötchen mit Zwiebeln und rohem Ei“ benennt. Zum Aufwärmen wird eine kurze Steilauffahrt am Wegesrand gewählt. Die kaum genutzte Fahrspur gewinnt über loses Geröll stetig an Höhe. Große Steine schlagen vor das Vorderrad und zwingen mich, immer weiter von dem vorgegebenen Weg abzuweichen. Die Hände drücken scheinbar den Lenker platt, aber die Schwerkraft gewinnt. Erst ein Halt bringt die gewünschte Kurskorrektur. Lediglich eine kurze Verschnaufpause muss aber genügen, um zum nächsten Gipfel zu fahren. Auch hier hoppelt das Vorderrad überall hin, jedoch nicht in Richtung Gipfel! Ein erneuter Stopp schafft Abhilfe. In kürzester Zeit befinden wir uns fast 250 Meter über den Meeresspiegel und genießen den herrlichen Rundblick auf die Insel. Nur der Wind stört die Stille der Einsamkeit. Über einige Kuppen rollen die Motorräder hinweg, um dann an steilen Hängen ständig an Höhe zu verlieren.
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Der weitere Rückweg fordert noch eine Traileinlage durch ein halbtrockenes Flussbett. Gespickt mit dem Auf und Ab von schmalen Umfahrungen tasten wir uns blind durch die mit Wasser gefüllten Schlaglöcher. Die Tiefe kann nur durch Sichtkontakt auf den Vorausfahrenden eingeschätzt werden. Nasser Fels sorgt für rutschige Einlagen und wegrutschende Hinterräder für Adrenalin im Blut. So aufgeheizt wird der letzte Steilhang aus dem Flussbett mit einer leichten Drehbewegung am Gas überwunden. Durchgeschwitzt kehren wir zurück und holen Tina aus dem kühlen Schatten wieder in den Staub. Zügig wird die Piste nach Tindaya überflogen. Der gleichnamige Hausberg wird schnell umrundet, um dann in eine herrliche Streckenführung durch die wellige Landschaft einzutauchen. Sand, Schotter und festgefahrener Boden wechseln sich ständig ab. Der Blick schweift immer wieder in die beeindruckende Natur.
Artgerecht werden die Motorräder auf kleinen Pisten hart am Meer entlang getrieben. Schwarze Lava wechselt sich ab mit blendend weißem Sand, feinem Tiefsand und losem Geröll. Ächzend stöhnt das Fahrwerk über die ihr aufgezwungene Haltung und die Stollen werfen den Sand mit Schwung durch die Luft. Bei herrlichem Sonnenschein und angenehmen Temperaturen queren wir erneut das beeindruckende Bergmassiv. Tiefschwarz leuchtet der aufgewirbelte Staub in der Abendsonne. Einige entgegenkommende Enduristen ziehen eine unendliche Staubfahne über die Piste, die wir umgehend verlassen. Quer durch das Gelände wird eine Crosstrecke erreicht. Jeder kann hier versuchen, die Maschine quer zu legen, um im Drift die Kurve zu meistern. In der nahe gelegenen Sandgrube dürfen noch einmal alle durch den Tiefsand pflügen. Wir toben uns mächtig aus.
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Das Motorrad muss des Öfteren aus der Horizontalen aufgerichtet werden. Tina schaut vorerst ehrfurchtsvoll zu. Mit Geduld und Fürsprache gewinnt sie aber an Mut. Da wir auf der anderen Seite weiter fahren müssen, wird die Sandgrube letztendlich auch von ihr mit Schwung durchfahren. Es geht doch! Ihre Sandallergie scheint geheilt!
Gemeinsam haben alle bei der Woche Offroad viel Spaß gehabt und Wichtiges für das Geländefahren gelernt: Wird es schwierig, hilft Gas! Wird es noch schwieriger, noch mehr Gas!!!
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Infokasten Fuerteventura

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Allgemeines
Fuerteventura gehört zu den Kanarischen Inseln im Atlantischen Ozean und befindet sich etwa 120 Kilometer westlich vor der marokkanischen Küste Afrikas. Nach Teneriffa ist sie flächenmäßig mit 1660 Quadratkilometer die zweitgrößten des Archipels. Mit etwa 100 Kilometern zwischen den Landspitzen von Tiñosa und Jandia gehört sie zu der längsten Insel der Kanaren. Von der UNESCO wurde Fuerteventura zum Biosphärenreservat mit dreizehn Naturschutzgebieten ernannt.

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Beste Reisezeit
In der Antike hießen die Kanaren „Insel der Glücksseligen“ und hatten sicherlich damals schon den winterflüchtenden Motorradfahrer im Sinn. So werden auf der Insel im Winter tagsüber Temperaturen um die 20 Grad Celsius gemessen. Zum Motorradfahren bieten sich daher die Monate außerhalb der hiesigen Motorradsaison förmlich an.

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Anreise
Viele Flughäfen mit Direktverbindung in Deutschland machen ein schnelles und unkompliziertes Erreichen der Insel möglich. Auch lässt sich die Anreise per Achse und mit der Fähre bewerkstelligen. Dafür sollte jedoch der Aufenthalt wesentlich länger gestaltet sein.

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Veranstalter
Wir buchten diese Tour bei: www.enduro-erlebnisreisen.de bzw. www.motorrad-donnecker.de
Im Jahr 2012 gewann Thomas Donnecker die BMW GS Trophy. Somit wird sein Fahrkönnen zusätzlich noch einmal unterstrichen. Fahranfänger sind herzlich willkommen und werden behutsam an das lose Terrain herangeführt. Für kleinere Personen steht eine tiefere Maschine bereit.
Erfahrene Reiter bekommen gerne ein anspruchsvolles Terrain geboten, um die Grenzen des Machbaren auszuloten. Für weitere Erkundungen auf der Insel bietet sich eine Verlängerungswoche an.

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Sehenswertes
Die unberührte Natur Fuerteventuras lässt mit ihren weiß glitzernden Naturstränden sowie großen und kleinen Dünengebieten Dakarfeeling aufkommen. Ruhe, Ursprünglichkeit und Kontakte zu der einheimischen Bevölkerung bieten unzählige kleine Fischerorte. Zum besonderen kulinarischen Erlebnis gehört der „Queso Majorero“. Dieser zählt zum ersten spanischen Käse mit kontrollierter Ursprungsbezeichnung.

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