Montenegro

Die Perle an der Adria – Montenegro

Baden

Uns wird im wahrsten Sinne des Wortes richtig warm ums Herz. Der Schweiß läuft in Strömen, denn selbst der Fahrtwind verschafft kaum mehr Kühlung und die Temperaturanzeige klettert inzwischen über die 40° Marke. Aber egal, bald werden wir ein wenig Abkühlung in der blitzsauberen Adria finden. Baden und Motorradfahren, Montenegro bietet beides in Perfektion an. Außerdem wartet dieser Landstrich mit vielen Superlativen auf: Hohe Berge, der tiefste Canyon Europas, der einzige Fjord am Mittelmeer, Urwald und kristallklares Wasser.
Wir freuen uns jedenfalls, dass wir nach der langen Anreise den Campingplatz Jaz in der Nähe von Budva erreichen. Dort kitzelt uns die Sonne mit ihren Strahlen früh am nächsten Morgen wach. Genau die richtige Zeit, um den langen Badestrand samt der lauen Fluten der türkisblauen Adria zu erobern. Nach diesem erfrischenden Bad wird noch kurz gefrühstückt und dann entern wir die Bikes, um himmelwärts zu stürmen. Dabei wartet eine der abenteuerlichsten Bergpisten des Balkans und die muss einfach unter die Räder genommen werden. Unzähligen Serpentinen winden sich wie ein Korkenzieher in Richtung Nationalpark Lovćen und eröffnen einen fantastischen Blick aus der Vogelperspektive.

Kotor . Tunnel

Die Landschaft präsentiert sich immer wieder wie aus einem Bilderbuch, zeigt sich mediterran und alpin zugleich. Am Berg Jezerski Vrh klappen wir die Seitenständer aus und erklimmen die letzten Stufen zum Njegoš Mausoleum auf 1655 Meter über den Spiegel der Adria. Hier fand der Dichterfürst Petar II seine letzte Ruhestätte. Er suchte sich einen spektakulären Platz aus, denn hier eröffnet sich ein Panoramablick auf unzählige Gipfel des Nationalparks. Einen längeren Moment genießen wir das alles noch, aber dann schreien die schnell steigenden Temperaturen dringend nach Fahrtwind. Auf geht´s und wir folgen einem Teerband das in der Karte mit einem grünen Band geadelt wird. Völlig zu Recht, denn die auf dem Kamm in den Fels gehauene Straße, landschaftlich absolut reizvoll gelegen, bietet erneut ein alpines Erlebnis. Später windet sie sich wie ein Wurm talwärts. Mit einem durchgeschüttelten Gleichgewichtssinn wird Njeguši erreicht. Das Bergdorf kennt man wegen seinem gleichnamigen Schinken. Wir halten an einem alten Bauernhaus, vor dem ein kleiner Verkaufsstand steht. An diesem werden Honig, Wein, Käse und Schinken aus eigener Herstellung angeboten. Ricarda zeigt uns ihren Gewölbekeller und lässt uns ihre Erzeugnisse kosten. Schinken und Käse wechseln danach den Besitzer und bereichern unseren Speiseplan.

Schinken

Die obligatorischen Trinkflaschen werden mit kühlem, frischen Wasser aus dem Hausbrunnen gefüllt, und dann laufen die Motoren wieder. Betörende Serpentinen prägt die sensationelle Strecke zurück zum Camp. Schweißgebadet werden dort die Helme abgelegt, und der erlebnisreiche Tag klingt in den kühlen Fluten des Mittelmeeres aus.
Am nächsten Sonnentag folgen wir die Küstenstraße nach Bar, dessen Altstadt in den kühleren Bergen liegt. Sie wird schon zum ersten Mal im 9. Jahrhundert urkundlich erwähnt und unterstand seitdem unterschiedlichsten Herrschern.

Bar

Unweit der Stadt findet sich auch ein uralter, über 2.000 Jahre alter Olivenbaum. Olivenbäume dieser Sorte beginnen mit dreißig Jahren Früchte zu tragen. Der höchste Ernteertrag erfolgt dann ab einem stolzen Alter von einhundert Jahren. Wir kurven weiter durch uralte Olivenhaine und folgen später der alten, kaum noch genutzten Passstraße nach Virpazar. Landschaftlich wird sie der grünen Markierung in der Karte gerecht. Allerdings zeigt die Oberfläche der Piste reichliche Verletzungen. So folgen wir einer recht maroden, mit Schotter ausgebesserten Wegstrecke inklusive abenteuerlicher Kurvenführung in Richtung stahlblauen Himmel. Oben eröffnet sich wieder ein weiter Blick über die bizarre Bergwelt von Montenegro. Auf der Passhöhe fällt noch etwas auf: Hier steht „Ziel“ auf dem Asphalt geschrieben. Rote und weiße Bordsteine sowie Reifenstapel zeigen uns, dass wir nun auf einer Bergrennstrecke unterwegs sind. Auf ab jetzt gutem Teerband fliegen wir so dem „Start“ in unzähligen Kurvenorgien entgegen. Die Mittellauffläche des Reifens dient nur noch zum Umlegen der Maschine, die Außenflanken kommen ihrer Aufgabe nach und der Gleichgewichtssinn brummt wie ein Kreisel. Es braucht eine Pause und da kommt Godinje gerade recht. Das Dorf liegt am Nordwestufer des Skadarsees und weist durch die steile Hanglage eine turmartige Bauweise auf. Aber bald haben wir genug verschnauft, der Rest der Bergrennstrecke wartet. In tiefster Kurvenlage zwirbeln wir bergab, das Schleifen der Stiefelaussenkante mahnt aber zur Vorsicht. Hinzu kommt, dass die Sonne am Horizont versinkt, was uns an die Heimkehr erinnert.
Am nächsten Tag folgen wir der Küstenstraße nach Ulcinj, wo auf dem bunten, historischen Markt die Vorräte aufgefüllt werden Danach geht´s zu Fischern, die auf traditionelle Art und Weise frischen Fisch an Land bringen. Alles erinnert ein wenig an südasiatische Fangmethoden. Obendrein stehen einige alte, verlassene Fischerhütten am Fluss und haben bereits den Status eines Museums.

Fischer I . Fischer II

Genug gesehen, uns zieht es weiter in die Berge. So folgen wir den recht maroden Straßen Richtung Skadarsee und rollen dabei durch einsame Landschaften. In einer letzten langgestreckten Linkskurve taucht er dann unvermittelt auf. Riesengroß liegt der Skadarsee vor uns und lässt uns bis Albanien schauen. Sein Ufer weist den Weg in Richtung Virpazar. Dabei ändert sich langsam das Landschaftsbild. Irgendwie fühlen wir uns nach Skandinavien versetzt: Wasser, Berge, Meer und unendliche Weite.

Albanien . See

Am nächsten Tag möchte mein Mädel baden. So ziehe ich alleine los. Ich will hinauf zum Bergpass Orjen. Den Einstieg in Crkvice kann ich allerdings nicht finden. Wegweiser gibt es auch nicht. So rolle ich den Orjen einfach von der anderen Seite auf. Dort finden sich wenigstens teils ausgeblichene Schilder, die die Orientierung deutlich leichter werden lassen. In Serpentinen schraubt sich der Weg dann nach oben. Ruinen am Wegesrand zeugen von einer anderen Zeit. Einsamkeit – kein Mensch weit und breit. Nur das Bollern meiner Enduro hallt zurück. Der Wald lichtet sich und ein weißes, bizarr geformtes Gestein prägt das grandiose Bild. Den gleich zu befahrenden Weg kann ich schon in der Ferne sehen. Er hängt förmlich am Berg, wurde teilweise atemberaubend in den Fels gehauen. Die Passhöhe kommt langsam, aber sicher immer näher und bald stehe ich 1584 Meter über dem Meer.

Orjen II . Orjen I

Ein kleiner, idyllisch gelegener See befindet sich dort neben einem alten, aufgegebenen Gehöft und zeugt von früherer Bewirtschaftung. Nun geht es nur noch abwärts. Der Schottertrail präsentiert sich teilweise als ziemlich zugewachsen. Riesige Felsbrocken und abgerutschte Wege zeugen auf dieser Seite von einer geringen Nutzung des Pfades. Weite Blicke auf die Karstformationen säumen den Weg. Am linken Horizont erscheint eine verlassene Festung und dann verlassen die Reifen das recht staubige Terrain. Auf einer kleinen, griffigen Piste geht es talwärts und auch die äußeren Stollen werden von ihrer Staubschicht befreit. Die letzten Serpentinen der alten Straße nach Risan geben einen herrlichen Blick auf die Bucht von Kotor frei. Es riecht herrlich nach Meer.

Bucht

Nach meinem Solo-Schotterabenteuer starten wir gemeinsam die nächste Tour. Wir folgen der Straße mit der Markierung „2-3“ und genießen die herrlichen Schwünge in Richtung Podgorica. Kurz vor der Stadt verlassen wir aber die Hauptstraße und folgen engen Eselspfaden. Die wenigen Wegweiser zeigen uns den Weg nach Karuč.

Karuc

Steil stürzen sich die letzten Serpentinen hinunter in das idyllisch gelegene Fischerdorf. Ein Blick zurück wie zu alten Zeiten. Wir halten am kleinen Dorfplatz und sind kurz darauf von den dort lebenden Jugendlichen umgeben. In dem so beschaulichen Dorf dürften wir als das Tagesereignis gelten. Alte, verfallene Häuser säumen den Platz. Daneben singt ein Betonmischer das Lied des Wiederaufbaus. Einige Häuser werden wieder hergerichtet, andere erstrahlen im neuen, alten Glanz. Der Fluss Crnojevića spiegelt sich im Sonnenlicht. Wir folgen dessen Lauf in den gleichnamigen Ort und werden mit vielen Panoramablicken auf die weite, grüne Flusslandschaft belohnt. Der dichte, gelbe Blütenteppich der Wasserpflanzen lässt im Fluss nur eine ganz kleine Fahrrinne für Boote frei.

Fluss

Im Ort angekommen, wird an der alten Brücke Stari most der Zündschlüssel abgezogen. Der Fahrtwind muss Eisbechern und kühlen Getränken weichen. Erst danach folgen wir weiter dem Flusslauf mit seinen unzähligen Kurven. Aber dann trennen sich unsere Wege.

Skadarsee

Während sich der Fluss im Skadar See verliert, schwingen wir bei herrlich roter Abendsonne ab Virpazar auf der gut ausgebauten Passstraße auf Meereshöhe. In der alten Festungsstadt Kotor lassen wir den wundervollen Tourentag wieder in aller Ruhe ausklingen.
Heute folgen wir der Straße in Richtung Norden. Das Kloster Ostrog bietet sich für eine Verschnaufpause an. Es wurde in den Berg gehauen und klebt in luftiger Höhe am Hang wie ein Schwalbennest.
So genießen wir die vergleichsweise kühlen Temperaturen im Durmitor Gebirge. Wir tauschen die Stiefel gegen Wanderschuhe und erkunden die Gegend mit seinen unzähligen Seen und Wanderpfaden. Außerdem wäre da noch der Durmitorring. Die Aussage der Dorfbewohner dazu lautet: Gravel Road. Nix wie hin und gleich nach dem Ort Žabljak setze ich den Blinker rechts. Langsam schraubt sich die Straße höher an den beiden Seen Modro und Valovito vorbei. Die nun vorhandene Landschaft erinnert wieder irgendwie an Norwegen. Der Sedlo Pass gibt obendrein weite Blicke in beiden Richtungen frei, hohe Berggipfel säumen den Weg.

Anfahrt Durmitorring

In einer wilden Schlangenlinie windet sich die Straße in die endlose, unüberschaubare Hochebene Pišče. Hier findet auch wieder das letzte Zahnradpaar im Getriebe zueinander. Am Dorf Nedajno endet der befestigte Weg und die Stollen müssen ihrer Aufgabe gerecht werden. Auf Schotterserpentinen geht es hinab in die Schlucht Sušiča. Das Bergmassiv erhebt sich am Ende der Schlucht majestätisch in den Himmel.

Durmitor

Durch Haarnadelkurven schrauben sich meine Maschine und ich wieder in die Höhe. Ein Dorf taucht auf. Hier finde ich das ursprüngliche Leben. Heu wird auf ein Holzgestell, das auf dem Pferdrücken befestigt ist, geladen und eingebracht. Dorfleben pur. Mitten in diesem unbewussten Ökodasein treffe ich Angelina. Sie erzählt vom Sammeln der Beeren. Die Handinnenflächen sind blau gefärbt. Sie zeigt mir einen Strauch und erklärt, dass sie daraus Medizintee kocht. Ein altes Holzhaus nennt sie stolz ihr Eigen und macht einen zufriedenen Eindruck. Endlich sehe ich weit hinten die Schwarzen Berge. Hier wird Montenegro seinem Namen gerecht. Auf Serbisch heißt es „Crna Gora“ zu Deutsch: Schwarze Berge. Dorf und Landname in Einem.
Wir sind auch zufrieden, denn Montenegro macht einfach Spaß, ein tolles Urlaubsziel für Motorradfahrer, die auch mal jenseits geteerter Straßen unterwegs sein wollen.

See Nebel . Nacht

Infos Montenegro
Stand: 2012

Allgemeines / Praktisches:
Montenegro, auch Crna Gora genannt, wartet mit vielen Landschaftsformationen auf. Für entdeckungslustige Motorradfahrer bietet das Land vom Meer, über unzählige Seen, klare Bäche bis zu 2500 Meter hohe Berge.
Eine Orientierung auf den Hauptverkehrsstraßen ist problemlos möglich. Abseits von ihnen ist teilweise keine Ausschilderung vorhanden bzw. sind die Wegweiser in kyrillischer Schrift ausgewiesen. Die elektronischen Landkarten sollten daher schon in Deutschland auf die gewünschte Fahrtstrecke geprüft werden.
In den Touristenregionen wird oftmals Deutsch und Englisch gesprochen. Im Hinterland ist die Verständigung dagegen schwieriger.
Die Küstenstraßen sind spiegelglatt gefahren und so manche Öl- oder Diesellache kann in einer Spitzkehre den Asphalt verunreinigen und zum Verhängnis führen.
Für die Einreise bis zu 90 Tagen ist der Personalausweis ausreichend. Der Fahrzeugschein bzw. die Zulassungsbescheinigung Teil 1 und die internationale grüne Versicherungskarte werden bei Grenzübertritt streng kontrolliert.
Der Euro ist auch in Montenegro Zahlungsmittel. Geldautomaten, Tankstellen und Märkte sind ausreichend vorhanden. Ein Auffüllen der Vorräte für Ausflüge ins Hinterland ist zu empfehlen, da man streckenweise abseits der Infrastruktur unterwegs ist.

Beste Reisezeit:
In den Sommermonaten können die Temperaturen auf über 40°C steigen. Daher ist die beste Reisezeit vor und nach der hochsommerlichen Hitze. Die Badesaison ist von Mai bis Oktober.

Anreise:
Von Kassel aus sind es 1700 Kilometer über München, Salzburg, Ljubljana und Dubrovnik, fast ausschließlich über Autobahnen, zur kroatisch-montenegrinischen Grenze. Eine Überlegung wert ist die Balkanbahn Belgrad / Bar. Sie gilt als eine der spektakulärsten Gebirgsbahnen dieser Welt. Die Kosten für einen PKW und drei Personen im Schlafwagen belaufen sich auf ca. 140 Euro. Die Abfahrt findet um 22.10Uhr in Bar statt. Die Ankunft in Belgrad ist um 8.00 Uhr. Informationen per Internet sind z. Zt. nicht möglich. Eine Buchung kann nur vor Ort erfolgen.

Übernachten:
Auch in der Hauptsaison ist ein vielfältiges Angebot an Hotels und Privatzimmern zwischen Herceg Novi und Ulcinj vorhanden. Noch freie Betten werden oftmals mit einem Sobe-Schild in der Hand, direkt an der Hauptstraße angeboten. Das Privatquartier ist ab 10.00 Euro pro Person und Nacht zu bekommen. Ein Familienanschluss bei den privaten Vermietern ist oft obligatorisch mit inklusive.
Campingplätze mit direktem Zugang zum Meer sind dagegen seltener zu finden. Der Campingplatz Jaz bei Budva ist sehr schlicht ausgestattet und bietet nur das nötigste. Der Platz Camping Olivia Utejah bietet dagegen westeuropäischen Standard und wird mit alten Olivenbäumen abgeschattet.
Sehr schön, aber einsam und entlegen auf der Halbinsel Luštica, ist das Camp Begović an der Ponta Veslo.

Literatur:
Achim Wiegand berichtet im Reiseführer „Montenegro“ aus dem Michael-Müller-Verlag ausführlich mit einer Fülle an Informationen. Als preiswerte Alternative ist der vor Ort erhältliche Reiseführer „Montenegro“ ISBN 86-7310-370-3 von M. Vladimir erhältlich. Er bietet kurz und knapp Infos über die Städte und Sehenswürdigkeiten und ist mit vielen Fotos ausgestattet.
freytag & bernd bieten eine Auto- und Freizeitkarte im Maßstab 1:150000 an. In einigen abgelegenen Gebieten lässt die Genauigkeit zu wünschen übrig. Straßen fehlen ganz bzw. Schotterstrecken sind als gelbe Straßen dargestellt. Größere Genauigkeit versprechen die in Montenegro erhältlichen Karten.

Internetadressen:
www.montenegro-tour.de
www.montenegro.travel

2 thoughts on “Montenegro

  1. Hallo,
    ich war letztes Jahr mit einem Freund auf dem Balkan unterwegs bis Albanien. Der Reisebericht macht schon wieder richtig Lust auf die Gegend. Finde mich in den Beschreibungen gut wieder und werde versuchen meinen Reisepartner davon zu überzeugen Montenegro nächstes Jahr einen erneuten Besuch abzustatten.
    Gruß Uwe

    • Hallo Uwe, Montenegro ist ein tolles Land! Nirgends wo anders habe ich Biken und Baden so eng beieinander erlebt! Ich wünsche Dir das Dein Plan aufgeht! Dann kratze ein paar Kurven dort für uns mit!

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