Provence II

Ein lila Kurvenrausch

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Ventoux verkleinert

Um uns die Sinne betören zu lassen durchstreifen wir die lila Lavendelfelder von Valensole und treiben auf kleinen Gassen die Bikes in Richtung Sault. Auch hier tauchen die violetten Lavendelfelder auf und verströmen ihren intensiven Duft. Bienenkästen stapeln sich einem Dorf gleich am Hang in die Höhe. Nach einer Kurve taucht der imposante Mont Ventoux mit seiner weißen Kappe auf. Allerdings muss der noch ein wenig warten, denn zuerst werden die weltberühmten Ockerbrüche angefahren werden. Die Brüche bei Rustrel sind nicht so spektakulär, aber weitläufiger und weniger frequentiert.

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So streifen wir ein wenig in die Ockerbrüche umher, um dann die Bikes schwungvoll in farbigen Kurven in die Ockermetropole Roussillon zu treiben. „Rotes Delphi“ wird der Ort auch liebevoll genannt. Die bunten Häuser spiegeln die gesamte Farbpallette der Ockerbrüche wieder. Dank des Vorteils des Motorrades finden wir schnell einen Parkplatz und erkunden ausgiebig die farbigen Felsen.

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Hier ist es unvermeidbar das sich die Kinder in diesem riesigen Sandkasten wohlfühlen und selbst der Hang wird als bunte Naturrutsche missbraucht. Ob die Waschmaschine die Farbenpracht wieder heraus bekommt?

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Wir testen dieses nicht, sondern rollen auf kleinste Gässchen durch Gordes. Als schönstes Dorf Frankreich wird es mit seinen gepflasterten Gassen geehrt. Diesem Ansturm halten wir nicht stand und rollen in das kleine Tal Sénancole zum Zisterzienserkloster Abbaye de Sénanque. Es wurde 1148 gegründet und der Bau zog sich fast ein Jahrhundert hin. Heute wohnen wieder 16 Mönche im Kloster. Sie betätigen sich in der Honigproduktion und im Lavendelanbau. Wir nehmen die wunderbare Atmosphäre in uns auf und lassen die Seele ein wenig baumeln.

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Dann verlassen wir den Ort der Ruhe, um von den wechselnden Kurvenlagen und einsamen Dörfern in den Bann gezogen zu werden. Die Schlucht der Nesque zieht sich ca. 20 Kilometer mit einigen fantastischen Streckenabschnitten durch das dünn besiedelte Tal. Wir fahren durch kleine Tunnel, treffen immer wieder auf Stellen, die einen traumhaften Blick in die Schlucht ermöglichen und erreichen im schönsten Sonnenschein Sault.

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Heute wird der Tag der Entscheidung. Oft wurde hier schon gekämpft, geschwitzt, gesiegt und verloren, um den ersten Platz im Rennen zu erkämpfen. In Sault atmen die KTMs noch satt die von Lavendelduft geschwängerte Luft ein und stürmen dem mächtigen Gipfel entgegen. Der Wald lichtet sich und die blendend weiße, weithin sichtbare Kalksteinebene rauscht einer Wüstenregion ähnlich, vorbei. Auf 1912 Metern kämpfen die Motoren mit der dünner werdenden Luft und der Motor läuft spürbar mit reduzierter Leerlaufdrehzahl. Schlagartig verstummt er dann, der Wind jedoch bleibt.

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Nicht umsonst leitet sich der Name Mont Ventoux vom Wind ab. Das blaue Himmelsfirmament wird vollkommen leer gefegt und keine Wolke behindert den weiten Panoramablick bis in die noch schneebedeckten Gipfel der Alpen. Fasziniert von dieser grandiosen Landschaft wird der Tag in typischer französischer Gangart zelebriert, Crêpes gegessen und Kaffee geschlürft. Gestärkt donnern wir im Sturzflug auf der Westseite hinab und umfahren den Berg der Winde auf der Nordseite über kleinste Straßen zurück nach Sault.

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Eine Einladung der besonderen Art wartet hier auf uns: Das 28. Lavendelfest im Hippodrome du Défends.

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Es hat den Anschein, dass sich heute die gesamte Region in der Arena trifft. Ganze Familien erscheinen in historischer Kleidung. Sicheln werden nach alter Tradition gedengelt, um sich mit ihnen im Championat der französischen Lavendelernte zu messen.
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Zuerst treten die Amateure gegeneinander an. Im zweiten Durchlauf bekommen sie umgehend von den Profis das Maß der Dinge beim Abernten vor Augen geführt. Jetzt wird gezeigt wo die Sichel hängt!

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Alte Traktoren liefern sich ein Kopf-an-Kopf Rennen, nach traditioneller Art wird der Lavendel gedroschen und anschließend destilliert. Auch moderne Technik wird hautnah erklärt und vorgeführt. Pferdegespanne mit alten Fuhrwerken bringen die Ernte heim.

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Nach dieser Reise in die Vergangenheit scharren die KTMs schon ungeduldig mit den Stollen. Saugen die frische Luft in sich auf, um im kleinen Dorf Banon den Morgensprint zu beenden.

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Die Buchhandlung „Le Bleuet“ stellt einen willkommenen Zwischenstopp dar. Zählt sie doch zu einer der schönsten der Provence und punktet nicht nur mit französischsprachiger Literatur. Der übergroße Buchstapel vor der Eingangstür zeugt von der fleißigen Lesearbeit.

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Weniger geistig ansprechend, dafür ein Fest anderer Sinne ist die kleine Wurst- und Käsehandlung „La Brindille Melchio“. Der berühmte Banon Käse und die köstliche, ein Meter lange, fingerdünne Salami wechseln den Besitzer. Ein kurzer Zwischensprint lässt uns den Ort Saint Etienne-les-Orgues erreichen. Der Lenker schwenkt an einer kleinen Straße links ein. Das Hinweisschild „Kurvenreiche Strecke“ mit dem Zusatzschild „42 Kilometer“ lässt keinen Zweifel offen: Wir sind auf den richtigen Weg! Mit schwungvollen, schnellen Kurven zieht sich die Bergstrecke immer weiter in die Höhe, um nun Einspurig weiter an Höhe zu gewinnen. Die kahlen Felsen gewinnen hier oben den Kampf gegen die Natur und lassen eine weite Sicht in die großartige Berglandschaft zu. Auf der Passhöhe wird jedoch kein übliches Passschild gefunden. Ein neumodernes Schild, eher den Radlern gewidmet, weist auf den 1.826 Meter hohen Signal de Lure hin. Auf der anderen Seite stürzen wir uns wieder mit kühnen Schwüngen in die Tiefe und lassen nach der Kurvenhatz die Motoren im schönen Sisteron knisternd abkühlen. Als Tor zur Provence wird die Stadt bezeichnet. Zwei markante Bergketten stoßen hier aneinander und die Durance hat sich sein Flussbett tief in das Gestein hineingegraben. Der gefächerte Kalksteinfelsen sticht sofort ins Auge. Wie unzählige Scheiben aneinander gestellt, laden Spalten zum Erforschen ein. Der Wind bläst mit einem mächtigen Fauchen hindurch und treibt uns weiter zur Gorges de la Méouge. Der Fluss hat mit seiner unermüdlichen Strömung einen besonders schönen, engen Canyon in den Felsen gefräst. Nach so viel Schräglage muss das Gleichgewichtsorgan wieder zur Ruhe gebracht werden. So findet sich auf der Passhöhe vom Col de Sainte Jean ein herrlicher Rastplatz mit fantastischem Fernblick. Die Karte wird studiert, um den Rückweg anzutreten. Auch hier wird der Blick gefesselt. Wie ein Lindwurm schlängelt sich der Pass Col de Perty auf der Straßenkarte. Sonnenblumen- und Lavendelfelder huschen vorbei. Der Mont Ventoux lässt sich hier von der Nordseite in tollen Schräglagen sichten und erhebt sein Haupt stolz in den Himmel. Über die D159 rollen die Räder durch eine einsame, schöne Straße und folgen dem Fluss Toulourenc, um am Bergdorf Montbrun-les-Bains wieder ausgespuckt zu werden.

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Leider müssen wir langsam aber sicher die Heimreise antreten, kurven noch ein wenig in Schräglage durch die kleinen Straßen, huschen durch enge Schluchten, um dann Narbonne anzusteuern. Regen stimmt von nun an auf das heimische Wetter ein. Monoton rattern abends die Räder des Autoreisezugs und wiegen uns in den Schlaf. Wir träumen von der Provence, ein lila Kurvenrausch für die Sinne!

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2 thoughts on “Provence II

  1. Wir träumen von der Provence, ein lila Kurvenrausch für die Sinne!
    Euer letzter Satz ist mein erster.
    Wenn man die Gegend ein wenig kennt und Eueren Reisebericht in Eurer ureigenen Schreibe aufsaugt…
    Dann geht’s einem genauso. Zumindest mir.
    Vielen Dank für’s gezielte Träumen lassen.
    Maxmoto

    • Maxmoto, viel Spaß in der Provence! Aber Achtung, der Blick schweift bei diesen Farben immer wieder ab!

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