Rügen

Reif für die Insel!

Ostseebad Sellin

Es geht hinauf, immer weiter hinauf. Wir erklimmen die größte Schrägseilbrücke Deutschlands. Die Rügenbrücke verbindet das Festland mit der großen Insel. Abwärts gleitet der Blick auf das platte Land. Die Sonne gibt die Sicht auf die Insel frei.
Wir setzen den Blinker und verlassen die viel befahrene Hauptstraße, um der Deutschen Alleenstraße zu folgen. Ein Wechselspiel aus Licht und Schatten huscht vorbei. Die Scheinwerfer müssen unter dem abdunkelnden Blätterdach ihre Aufgabe bei schönstem Sonnenschein aufnehmen und uns den Weg nach Puddemin ausleuchten.
Herrliche Reetdachhäuser in ruhiger dörflicher Umgebung empfangen uns. Der Bodden liegt nur wenige Schritte entfernt. Es ist Zeit, die Einsamkeit und Ruhe zu genießen. Dorfidylle pur, ein Ort zum Ausruhen und Verweilen.
Der nächste Morgen weckt uns mit strahlend blauem Himmel. Es wird aufgesattelt, um den berühmten „Rasenden Roland“ zu bestaunen. Von weitem kann man seine Dampfwolke schon sichten und sein Schnaufen hören. Nun liefern wir uns ein kleines Stück des Weges ein Kopf-an-Kopf-Rennen: Der Zug gewinnt – aber nur durch den Heimvorteil der Bahnschranke.

Rasende Roland

Weiter folgen wir dem dicht bewaldeten Weg nach Sellin. Glanzvolle Bäderarchitektur bestimmt das Ortsbild. Die Motorräder finden auf der Flaniermeile Wilhelmstraße ein Plätzchen. Die Stiefel werfen ihren Schall an historischen Jugendstil-Villen zurück. Das Ostseebad Sellin liegt uns nun zu Füßen und zieht alle Blicke auf sich. Es sind 87 Stufen zu bezwingen, um auf den Steg des filigranen Brückenhauses, der berühmten Seebrücke, zu gelangen.
Wir folgen dem Weg über die Schmale Heide in Richtung Saßnitz. Der Magen kündigt die Mittagszeit an und ein kleines Restaurant am Wegesrand lädt mit Oldtimern zur Rast ein. Wer so liebevoll alte Motorräder ausstellt, heißt auch Biker willkommen. So stärken wir uns für die nächsten Kilometer zur Kreideküste.

Oldtimer

Dort angekommen, werden die Stiefel als Wanderschuhe missbraucht, um an die steilen weißen Kreidefelsen zu gelangen. Ein kleiner Marsch durch den urwüchsigen Buchenwald und schon haben wir den Königsstuhl erreicht. Er liegt 118 Meter über dem Wasser und gibt einen atemberaubenden Blick auf das türkisfarbene Meer frei.

Kreideküste

Im Nationalpark-Zentrum bewegen wir uns auf eine Zeitreise durch die Geschichte der Kreideküste. Der Tag wird im Nationalpark verbummelt. Doch wir müssen langsam aufbrechen. Das KdF-Bad Prora, aus unrühmlicher deutscher Geschichte, steht noch auf dem Plan. Unendlich zieht sich der ehemals 4,5 Kilometer lange Gebäudekomplex am Strand entlang. Endlich finden wir den Zugang zum Museum. Die langsam versinkende Sonne verbietet jedoch den Besuch. So drehen sich die Räder wieder in Richtung Puddemin, wo dann der Abend am Hafen gemütlich ausklingt.
Am nächsten Morgen kitzelt uns die Sonne mit ihren goldgelben Strahlen aus den Betten. Nach einem kräftigen Frühstück sausen wir über die kleinen Straßen der Insel und lenken die Bikes in Richtung Thiessow. Ein paar Kilometer müssen die Räder rollen, um dann auf die L292 einzubiegen. Einige Kurven und ein sanftes Auf und Ab bestimmen kurzzeitig die Straßenführung zur Halbinsel Mönchgut. Das Ostseebad ist eingerahmt vom Bodden auf der einen und der Ostsee auf der anderen Seite.
Die Seitenständer berühren vor Thiessow den Boden. Ein paar Schritte müssen zurückgelegt werden, um dann auf dem bekannten Rügen-Markt zu stehen. Handwerker präsentieren Kunst und Traditionen. Von der Seifenherstellung bis zur Glaskunst ist vieles zu bestaunen. Garküchen lassen es mächtig qualmen. Geruch von frischem Räucherfisch wabert über den Markt. Die Bäcker ziehen nach und verwöhnen die Geruchssinne mit frischem Brot, Kuchen und Kaffee – eine Rast muss vor dieser schönen Kulisse sein. So wird ein Tisch geentert und jeder stillt seine eigenen Gelüste.
Frisch gestärkt treffen wir dann Gerlinde an ihrem Stand und erfahren einiges über die Herstellung der Rügen-Pullover. Ein dunkelhäutiger Freund nebenan verkauft selbstgefertigten Schmuck und unterstützt so seine Familie im fernen Afrika. Ein paar Kleinigkeiten wechseln den Besitzer.
Nach ausführlichem Stöbern, Staunen und Schmecken wollen wir wieder den Sound der Einzylinder hören und lenken die Bikes in Richtung Lobbe. Ein kleiner unscheinbarer Pfad durch den Kiefernwald zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Das ansonsten fast an allen Waldwegen stehende unsympathische Durchfahrt-Verbotsschild fehlt. So werden die Enduros ein Stück des weichen Sandweges getrieben, um anschließend direkt am Strand zu stehen. Die Motoren verstummen und die Ohren lauschen der Brandung der Ostsee. Dem Auge wird mit weiter Sicht auf die Küstenlinie geschmeichelt.

am Strand

Allzu lange wollen wir jedoch nicht an diesem schönen Strand verweilen. Die Stollen pflügen sich durch den weichen weißen Sand, um wenig später wieder festen Boden unter dem Profil zu spüren. Ein paar Gasstöße weiter durchfahren wir die bewaldete Region um Granitz. Imposant thront auf der Erhebung das gleichnamige Jagdschloss im schönsten Sonnenschein. In den Jahren 1836 bis 1846 ließ der Putbusser Fürst Wilhelm Malte I. diesen Prunkbau errichten.

Schloss  Granitz

Wir treten ein und wollen den 38 Meter hohen Aussichtsturm erstürmen. Halten jedoch vor der gusseisernen mit Ornamenten durchbrochenen Treppe ehrfürchtig inne. Ein fantastischer Blick nach oben bietet sich uns. Einem Schneckengehäuse gleich windet sich die Treppe an den Außenwänden immer weiter hinauf. Die Stiefel poltern auf den eisernen Stufen im Kreis immer höher.

Treppe Granitz

Durch ein letztes enges Schlupfloch erreichen wir die Aussichtplattform und ein grandioses Panorama mit Blick auf weite Teile Rügens liegt uns zu Füßen.
Das einstige Kdf-Bad Prora liegt in der Ferne und von oben ist das gesamte Ausmaß des Gebäudekomplexes zu bestaunen. Nachdem wir die grandiose Sicht genossen haben, zieht es uns weiter. Mit unserer Kawasaki rauschen wir über die Schmale Heide an Prora vorbei, lassen den Großen Jasmunder Bodden linker Hand liegen, queren den schmalen Landstrich der Schabe, um kurz vor Kap Arkona den Zündschlüssel zu ziehen.
Hier müssen die Bikerstiefel wieder als Wanderschuhe herhalten, um dann auf dem nördlichsten Teil der Insel zu stehen. Majestätisch erheben sich die beiden Leuchttürme unmittelbar nebeneinander in den Himmel. Der älteste Leuchtturm an der Ostseeküste wurde 1827 erbaut und der zweite wurde im Jahre 1902 gleich daneben als Ersatz errichtet. Außerdem sind die Nebelstation, die Marine-Bunkeranlage, Reste eines slawischen Burgwalls und das Fischerdorf Vitt zu bestaunen.
Auf die Räder und los! Unter diesem Motto werden die Enduros nach Schaprode gelenkt, um hier anzuhalten. Die Fähre bringt uns auf die Insel Hiddensee.

Hafen

Da die autofreie Insel keine motorisierten Fahrzeuge zulässt, werden in Neuendorf Fahrräder gemietet.
Pferdefuhrwerke übernehmen heute noch Transportaufgaben. Radelnd schlagen wir den Kurs Nord ein und gewinnen stetig ein wenig an Höhe. Eine kurze Rast auf einer Anhöhe gibt den Blick auf die zurückgelegte Strecke frei. Die schmale, langgezogene Insel ist gut zu erkennen. Noch ein paar Meter, dann ist das Leuchtfeuer Dornbusch erreicht.

Leuchtturm

Majestätisch thront der 28 Meter hohe Leuchtturm auf den 72 Metern über dem Meer ansteigenden Schluckswieck. Seit 1888 schickt er sein Licht in die Dunkelheit der Nacht hinaus und weist den Schiffen den Weg. Oben angekommen lassen wir wieder den Blick in die Ferne schweifen, können bis nach Rügen schauen und Hiddensee als schmale lange Insel sichten. Auf dem uns bereits bekannten Weg geht die Fahrt durch das nun abfallende Gelände zurück. Radelnd passieren wir mit Reet gedeckte Häuser, um an der Blauen Scheune in Vitte die Bremsklötze heiß laufen zu lassen. Es handelt sich bei diesem Gebäude um das letzte erhaltene so genannte Rauchhaus. Es gibt dort keinen Kamin, der Rauch musste durch Ritzen und Spalten im Dach abziehen. Ursprünglich wurde das Hallenhaus am Anfang des 19. Jahrhunderts errichtet und als Scheune, Backstube und Wohnbereich eines Müller- und Bäckermeisters genutzt. Im Jahr 1920 erwarb Henni Lehmann das Gebäude und machte es zu einer Künstlerstube. Sie ist auch für den blauen Anstrich verantwortlich und brachte dem Gebäude so nebenbei den Namen Blaue Scheune ein. In den 1950er Jahren eröffnet das historische Gebäude ein neues Kapitel in der Kunstgeschichte. Der Maler Günter Fink erwarb es und führte die Künstlertradition fort. Durch die regelmäßigen Ausstellungen ist es noch heute ein Treffpunkt für Kunstfreunde.

Blaue Scheune . Blaue Scheune vorne

Nach dieser Kunstpause radeln wir weiter zum Hafen Neuendorf, geben die unmotorisierten Zweiräder ab und setzen nach Rügen über. Motorisiert einspurig fahren wir gemütlich in Richtung Unterkunft.
Das Wochenende neigt sich dem Ende zu und wir müssen feststellen, dass die Zeit wohl doch zu knapp bemessen war. Motorradinsel Rügen – da kommt man gerne wieder.

Alleenstraße . Brücke

Infos Rügen

Allgemeines

Rügen ist Deutschlands größte Insel mit einer maximalen Länge von 52 Kilometern und 41 Kilometern Breite. Sie befindet sich vor der pommerschen Ostseeküste und gehört zu Mecklenburg-Vorpommern. Die größte Erhebung ist der Piekberg mit 161 Metern über dem Meeresspiegel. Die Verbindung mit dem Festland stellen der Rügendamm sowie die Rügenbrücke bei der Hansestadt Stralsund her.

Beste Reisezeit

Generell kann diese Tour während der kompletten Motorradsaison in dem Zeitraum zwischen März und Ende Oktober gefahren werden. Wenn es das Wetter zulässt, kann diese Region auch außerhalb der genannten Zeit erfahren werden.

Anreise

Aus allen Teilen Deutschlands wird die Anreise in Richtung Norden nötig sein. Das Tor zur Insel, Stralsund, wird über die E22 erreicht. Dann kann über den Rügendamm, der Rügenbrücke oder per Fähre der Meeresarm Strelasund überquert werden. Aus den südlichen Regionen Deutschlands ist die Anreise mit dem Autoreisezug eine Überlegung wert.

Übernachten

Die Region hat sich auf den Tourismus eingestellt. Motorradfahrer sind gern gesehene Gäste. Von der einfachen Ferienwohnung bis hin zum Hotel mit Wellnessprogramm halten Gastgeber für jeden Geschmack eine Unterkunft bereit.
Unsere Bleibe war in Ordnung, jedoch hat die mangelnde Kommunikation mit der Wirtin eine klare Meinung: Keine Einspurempfehlung!

Sehenswertes

Rügen hat eine Fülle an Sehenswertem zu bieten. Von den Seebrücken bis hin zu Leuchttürmen, alten reetgedeckten Häusern, dem Rasenden Roland, dem nördlichsten Punkt Rügens, dem Kap Arkona, alter Handwerkskunst, Märkten und Museen sollte für jeden Geschmack etwas dabei sein. Kleinste Alleenstraßen und die Deutsche Alleenstraße laden zum Motorradfahren ein.

Karten

Einen guten Überblick über die Sehenswürdigkeiten der Region geben die auf Rügen herausgegebenen Faltkarten für Fahrradfahrer. Hilfreich steht die elektronische Landkarte dann zur Seite.

2 thoughts on “Rügen

  1. Vielen Dank für diesen tollen Bericht. Ich war vor drei Jahren in Rügen im Urlaub und kriege schon Fernweh wenn ich das sehe. Und der Fisch dort war großartig.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert