Cevennen

Köstliche Cévennes

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Schleichend setzt sich das Virus „laissez-faire“ fest, brennt sich innerlich ein und beherrscht lieblich umschmeichelnd alle Sinne. Frankreich wird zur Sucht. Immer öfter zieht es uns in seinen Bann und umgarnt Motorradspaß mit großartigen Landschaften und den Gaumen immer wieder mit neuer, unbeschreiblich köstlicher Nahrung.
Ein Eldorado aller Sinne eröffnet sich. Am Horizont strecken majestätisch die Berge ihre graublauen Gipfel in den Himmel. Einem Lindwurm gleich stürzen wir in kühnen Schwüngen bei St-Chinian in die Tiefe. Das erste Schild „Kurvenreiche Strecke“ weist den richtigen Weg, um Kilometer mit Schräglagengarantie zu machen. Anschließend wird die erste Hochebene gequert. Eine Windböe nach der anderen zerrt an unseren Lenkern. Der flache, schräge Baumbewuchs zeigt hier die stets vorherrschende Windrichtung deutlich an. Von der Causse de Blandas gleitet der Blick atemberaubend in die Tiefe. Wie ein steinerner Trichter liegt der Cirque de Navacelles zu Füßen. Fast 400 Meter tief hat sich der Fluss Vis in den hellen Kalk gegraben und der kleine Ort Navacelles befindet sich inmitten dieses imposanten Talkessels. Vor Tausenden von Jahren floss die Vis in einer weiten Schleife durch das Tal, änderte dann jedoch nach und nach ihren Lauf und zurück blieb fruchtbarer Schwemmboden, der zur Gründung des kleinen Dorfes führte. An einer winzigen Steinmauer als Sicherung kurven wir steil in die Tiefe hinab, um auf der anderen Seite mit unzähligen Serpentinen und kühnen Schräglagen dieses majestätische Flecken Erde zu verlassen.
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Kurve um Kurve bringt uns weiter voran. Über kleinste Straßen werden die äußersten Reifenflanken abgerubbelt, dabei stetig Höhe gewinnend. Ein letzter weiter Bogen lässt uns endlich den Gipfel des höchsten Berges der südlichen Cevennen erreichen. Raues Klima schlägt auf der kahlen Fläche gegen das nun sorgsam geschlossene Visier. So stürmisch sich das Wetter auf 1567 Metern auch zeigt, so präsentiert der Mont Aigoual doch eine grandiose Weitsicht. Wehmütig gleitet der Blick bis zum Mont Blanc und schweift über die fernen Bergketten der Pyrenäen. Im Dunst der Ferne lässt sich das Mittelmeer erahnen. Auf dem Rücken der Bergketten rollen die Motorräder nordwärts und lassen den Berg des Wassers im Rückspiegel schnell kleiner werden. Machtlos unterliegen wir dem unendlich erscheinenden Kurvenspaß und rollen am späten Abend im Hotel „Gorges du Tarn“ in Florac ein. Die Abendkarte liest sich wie ein Gedicht und lässt zu später Stunde augenblicklich die Gaumenfreuden Achterbahnfahrt laufen.
Einer mächtigen Sinfonie gleich hallt morgens das Echo der lautstark brüllenden Motoren von den Bergen zurück. Das heisere Röcheln aus dem Ansaugtrakt eröffnet die Rally Lozère. Im Minutentakt starten die Wagen mit markerschütterndem Getöse und wimmernden Reifen. Die unzähligen kleinen kurvigen Bergstraßen werden kurzerhand zur Rennstrecke umfunktioniert und bieten einzigartiges Rallyefieber.
Auf der abgeschiedenen D135 rollen unsere Motorräder dem Kalkplateau Les Bondos mit kräftigen Schräglagen entgegen. Die Motoren verstummen für eine kurze Pause auf einer einsamen Hochebene. Mit 154 Granit-Menhiren, vier Dolmen und etwa 30 Grabhügeln befindet sich an diesem von Weitsicht geprägten Ort die zweitgrößte Konzentration an Megalithmonumenten Europas. Hier fällt auch eine weitere geologische Sehenswürdigkeit auf: Zwei Bergkuppen aus schwarzem Mergel, Namens Truc de Miret und Truc des Bondons. Diese haben der ewig nagenden Erosion widerstanden und überragen weit das Tal der Tarn.
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Wir satteln wieder auf und folgen der D998. Diese gleicht wahrlich einem Korkenzieher. Die Straßenbaumeister folgten dem wilden Hin und Her der Tarn und trumpfen mit runden Straßenradien mächtig auf.
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Das Sirren der Bremsscheiben lässt den Wettlauf mit dem schönen Teerband inne halten. Mächtig spannt sich die steinerne Brücke über den noch jungen Fluss in Le Pont-de-Montvert. Die Motorradstiefel poltern durch die engen Gassen, welche von romantischen Bruchsteinhäusern gesäumt sind. In der alten „Grand Rue“ treffen wir Yves vor dem Vereinslokal „L´Arbre aux Abeilles“. In deutscher Sprache berichtet er ausführlich über den Erhalt der traditionellen Honigproduktion. So stellt er heute wieder neue Bienenstöcke aus gehöhlten Kastanienstämmen nach uralter Tradition her und belebt diese mit den kleinen, fleißigen, stacheligen Bienen. Ein paar Schräglagen später findet sich am Ortseingang von Saint-Maurice-de-Ventalon an einer langgestreckten Kurve die erste traditionelle Imkerei.

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Weiter rollen die Räder nordwärts über die D 906, welche ohne Zweifel als Kracher des französichen Straßennetzes bezeichnet werden kann. Am Lac Altier klebt das Asphaltband am steilen Abgrund und windet sich durch die in den Fels gehauenen Gassen immer höher. Im Bilderbuchdorf La Garde-Guérin muss dem Gleichgewichtsorgan einfach eine Pause gegönnt werden, und so erfreuen wir uns an kulinarischen Gaumenfreuden.

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Einspurige Straßen führen an einem einsam gelegenen Stausee vorbei. Am Motorradtreffpunkt im La Bleymard wird der Blinker auf links gesetzt, um dem Col de Finiels entgegen zu stürmen. Rechts erhebt sich der 1699 Meter hohe Gipfel des Sommet de Finiels. Dieser ist vor dem Mont Aigoual der höchste Gipfel der Cevennen.
Das Tal verengt sich spürbar und die Tarn wird zum ständigen Begleiter. Hinter dem Flußlauf schmiegt sich das kleine Dorf Castelbouc mit seinen kleinen Gassen an die steilen Felsen und kann nur zu Fuß erkundet werden. Ein paar Schaltvorgänge später taucht Sainte Enimie vor dem Lenker auf und lädt mit Pflastersteinen aus der Tarn zum Verweilen ein. Hier eines aus vielen Dörfern zum schönsten Frankreichs zu küren, ist so gut wie unmöglich, denn schon lädt am linken Tarnufer Saint-Chély-du-Tarn zum nächsten Boxenstopp ein. Zwei Quellen stürzen unterhalb des Weiler als Wasserfall in die Tarn und setzen so einen besonderen Akzent auf die traditioneller Architektur dieses Dorfes.

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Die Motoren kommen einfach nicht auf Betriebstemperatur! Imposant lädt umgehend das Château de la Caze, direkt am Tarnufer gelegen, zum köstlichen Genuss aller Sinne ein. Das Schloß aus dem 15. Jahrhundert konnte seinen Glanz aus der damaligen Zeit bewahren. Lautlos rudern unzählige Freizeitkaptäne vorbei. So entern wir in La Malène eine historische Barke und lassen uns von den Batelieèrs de la Malène durch die eindrucksvolle Schluchtenlandschaft chauffieren. In herrlicher Ruhe gleitet das Boot im türkisblauen Wasser dahin.

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Nach der Entschleunigung zu Wasser spüren die Profilblöcke wieder Asphalt. In Les Vinges wird die imposante Tarnschlucht auf schmalem Teerband verlassen. Wir folgen der RD 16 in lichte Höhen. Nach kurzer Zeit werden wir von einer Wandergruppe ausgebremst. Stolz werden uns von Isabelle ihre vierbeinigen Begleiter vorgestellt. So trägt jeder Esel einen Namen und wird zum Wandern durch die Berge als Lastentier mitgeführt.
Unsere eisernen Rösser wollen ebenfalls weiter. Mit einigen steilen Serpentinen wird schnell an Höhe verloren. Steile Abhänge ohne Sicherung mahnen zur Vorsicht. Umgehend blockiert ein Auto den schmalen Weg. Glücklicherweise befinden wir uns am Hang und flüchten an die Felswand. Zentimeter um Zentimeter knirschen die PKW Reifen am Abhang vorbei. Die Straße des Todes erscheint mir bildlich vor den Augen. Deutlich entspannter kurvt es sich durch die Gorges de la Jonte, um in Meyrueis ein Nachtquartier zu beziehen. Ein köstlicher Liqueur Crème de Chataigne eröffnet das Gaumenfeuer, und der Motor für Leib und Seele hat heute Abend drei Gänge aus der Küche.
Die Motoren inhalieren den feuchten Duft der Morgenstunde. Über das wasserarme Kalksteinplateau Causse Méjean zieht es uns wieder zum fantastischen Canyon zurück. In wilden Serpentinen erreichen wir den Fluß Tarn. Heute wird der Kurventanz ohne Fahrtunterbrechung bis zum Point Sublime genossen. Tief ragen die steilen Felsen mehre hundert Meter in die schwindelerregende Tiefe hinab und bieten eine berauschende Sicht auf die eindrucksvolle Schluchtenlandschaft. Fasziniert davon wird der Tag in typischer französischer Gangart zelebriert, am gigantischen Abgrund werden Crêpes genossen und Kaffee geschlürft.

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Gestärkt donnern wir im Sturzflug wieder in die Schlucht hinab und folgen den unendlichen Windunges der Tarn nach Millau. Im Boulevard des Gantières lädt feines Leder zum Besuch ein. Die Fabrik Causse Gantier á Millau hat sich weltweit einen hervorragenden Ruf als Handschuhproduzent verdient. Viele namenhafte Designer und Prominente zieren sich mit dieser edlen Fingerkleidung. Nach dem Probetragen entscheiden wir uns doch wieder für unsere Stadler Handschuhe.
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Umgehend rauschen wir zum nächsten Superlativ. Der Viaduc de Millau spannt sich 2,5 Kilometer über die Tarn. Der mächtigste Pfeiler erhebt sich 343 Meter über den Fluss. Bei dieser Höhe muss sich selbst der Eifelturm um 23 Meter geschlagen geben. Ehrfürchtig umrunden wir auf kleinen Straßen die weltweit höchste Brücke. Zum beeindruckenden Erlebnis wird die Querung dieses Schrägseilmonuments. Magnetisch zieht sie uns in ihren Bann. Wir umrunden das Kunstwerk der Mobilität wie die Katze den heißen Brei. Der Tag verrinnt und so bitten wir an der mächtigen Tür des Château de Creissels um Unterkunft. Ein wehmütiger Blick zur lichtumfluteten Brücke folgt. Dann zieht das alt eingerichtete Gemäuer alle unsere Aufmerksamkeit auf sich. Wir folgen gerne dem Slogan des Château: „Schönheit, Charme und Komfort“ und lassen den Tag mit französischem Wein ausklingen.

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Nebel wabert am frühen Morgen durch die Luft. Kein Wetter um aufzustehen, geschweige abzufahren. Widerwillig werden die Motoren zum Leben erweckt. In wilden Orgien zirkeln die Kurven in die Höhe. Langsam tasten wir uns dem Himmel entgegen. Plötzlich erscheint eine ungewöhnliche Lichtstimmung. Die Tauchfahrt durch den Nebel belohnt uns mit strahlend blauem Himmel. Die Pylonen des Viaducts scheinen sich im weißen Nichts des Nebels zu verlieren. Ein umwerfender Blick gleitet zurück auf diese scheinbar unwirkliche Szenerie. Weiße Watte trägt die filigrane Brückenkonstrucktion über die Weite des Tals.

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Einige flotte Schräglagen lassen den Tau des Morgens von den Motorrädern verfliegen. Einsame, naturbelassene Gebiete werden zügig durchflogen. Menschenleer geben sich die Straßen um Sainte-Eulalie-de-Cernon. Nur unzählige, neugierige Lacaune Schafaugen blicken herüber. Ununterbrochen kauend scheint ihr Blick zu sagen: Ihr stört uns in der Milchproduktion! Mit vorsichtigem Zug am Gaskabel surfen wir von dannen und lassen die Motoren in Roquefort verstummen. Hier befindet sich ein weltbekannter Abnehmer der Wolle tragenden Milchproduzenten. Eine kulinarische Spezialität aus dieser Region ist der Blauschimmelkäse aus Roquefort-sur-Soulzon. Dass das Verschimmeln von Käse ein Ereignis sein kann, wird uns gerne unter Beweis gestellt. Cathrin führt uns durch ein unüberschaubares Labyrinth riesiger Lagerhallen und erklärt ausdrucksvoll die Entstehung des grün-blau marmorierten Blauschimmelkäse aus roher Schafsmilch. Nach vollmundigem Austesten der besten Geschmacksrichtung wandert ein Käse aus den Höhlen von Roquefort in die dunklen Tiefen der Seitenkoffer.

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Nach dem Ausreizen der Geschmackssinne fordert das Gleichgewichtsorgan seine Gleichberechtigung ein und kommt wieder in den Genuss unzähliger Kurven. Das Reifenprofil verschlingt unzählige kleine Routen in dieser Region. Das nächste Ziel, der Canyon de la Dourbie, hört sich nach Schräglagengarantie an und lässt uns umgehend ein paar kleine Straßen zusammenklöppeln. Schleichend kommt der Abschied näher. Die Weideflächen des Causses de Sauveterre und des Causses Mèjan werden im Rückspiegel schnell kleiner. Es ist ein spektakulärer Abschied. Der Genuss unendlicher Kurven bringt uns wieder in das Tal der Tarn und ist ein würdiger Abschied dieser Reise, welche alle Sinne fordert.

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Infokasten Cevennen
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Allgemeines
Die Cevennen stellen geografisch ein nicht fest umgrenztes Gebirge. Ein Großteil befindet sich im Départment Lozère, der Region Languec-Roussillon. Im Norden gehen die Ausläufer des Zentralmassivs in das Vulkanland Auvergne und im Süden in die Region Languedoc über.
Im Gegensatz zu zahlreichen alpinen Gegenden wird diese Region nur sehr dürftig bereist. Viele kleine Straßen befährt man oft allein. Die Qualität des Straßenbelages ist grundsätzlich gut. Auf kleineren Wegen kann das Asphaltband ein löchriges Erscheinungsbild aufweisen. Freunde einsamer Straßen kommen in dieser Region voll auf ihre Kosten und sollten stets den Kraftstoffstand im Auge behalten.
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Beste Reisezeit
Die Causses & Cevennen können, je nach Wetterlage, vom späten Frühjahr bis in den Herbst mit dem Motorrad bereist werden. Wir waren im Mai unterwegs und hatten fast durchweg motorradfreundliches Wetter. Wer mit schönstem Sonnenschein unterwegs sein möchte, wird zwangsläufig mit dem französischen Jahresurlaub konfrontiert.
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Anreise
Start der Tour ist Florac. Die Anreise aus Deutschland führt über die A5 bis zum AD Neuenburg. In Frankreich dann via A36/ A31 A6/ A7 und A9 in Richtung Narbonne.
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Übernachten
Die Region weist mit der Hotelkette „Logis“ ein dichtes Netz an Unterkünften auf. Diese bieten oftmals einen familiären Empfang und die Restaurants sind verpflichtet, ein Menü aus lokalen Produkten anzubieten. Unter dem Markenzeichen „Logis Moto“ wurde sich auf die speziellen Bedürfnisse von Motorradfahrern besonders eingestellt und es dient gleichzeitig als Gütesiegel.
Folgende verschiedene Unterkünfte haben wir aufgesucht, jedes bietet auf seiner eigenen Art deren Charme:
www.hotel-gorgesdutarn.com
Hotel Family, 4 Quai de la Barrière, 48150 Meyrueis
www.hotel-delamuse.fr
www.chateau-de-creissels.com
www.hotel-cornus.com
www.dsemillau.com
 
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Sehenswertes
Die Cevennen sind bei Motorradfahrern sehr beliebt und bieten Freude aller Sinne. Im Jahre 2011 wurden die Causses und Cevennen von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.
Der gigantische Cirque de Navacelles eröffnet die Anreise aus dem Süden. Zu den meistbesuchten Naturdenkmälern Frankreichs zählt die Gorges du Tarn. Die bis zu 500 Meter tiefe Schlucht trennt die einsamen Hochflächen des Causse de Sauveterre und des Causse Méfean. Das am Ende der Gorges du Tarn gelegene Millau gilt als Synonym für edle Handschuhe. Als Meisterstück der Mobilität spannt sich unübersehbar der Viaduc de Millau über das breite Tal. Unzählige Bilderbuchdörfer, wie der Ort La Garde Guérin, mit seinen etwa ein Dutzend zählenden Einwohnern, zieren das Land.
Dolmengräber, Menhire, unzählige Naturdenkmäler, Natur pur und einsame, durch die Natur geformte Straßen erfreuen das Herz der Motorradfahrer.Wer alle Sinne besonders verwöhnen lassen möchte, sollte im Château de la Case an der Tarn einen Zwischenstopp einlegen.
www.tourismus-midi-pyrenees.de
www.tourisme-aveyron.com

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