Jura – Château-Chalon

Ein kleines französisches Dorf thront hoch oben auf einem Bergsporn. Im tiefen, weiten Tal spannen sich die Weinfelder von Horizont zu Horizont. Das Jura mit seinen Reben nimmt uns gefangen und verköstigt die Seele mit weiten Schluchten und unzähligen Kurven. Eine besondere Liebeserklärung!
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Kaum haben wir die Autobahn verlassen, fühlen wir uns sofort wieder in Frankreich wohl. Typische kleine Steinhäuser, deren Dächer teilweise mit Naturplatten gedeckt sind, säumen den Straßenrand. Gehöfte rücken eng zusammen und lassen nur eine schmale Gasse frei. Bunte Blumenkästen ragen weit in die Straße hinein und bauchige Weinfässer zieren als Blumenkästen den Weg. Direkt auf einem Vorsprung des Juraplateaus dominiert Château-Chalon hoch oben über den anderen Dörfern und den umliegenden Weinfeldern im weiten Tal. Das kleine feine Bauerndorf zählt etwa 150 Einwohner und darf sich zu Recht mit zu den schönsten Dörfern Frankreichs zählen. Nicht ohne Grund besuchen wir dieses schöne Flecken Erde erneut. Wir sind endlich angekommen und in diesem Jahr empfängt uns Château-Chalon am späten Abend mit herrlichem Wetter. Viele Wolken tanzen hoch oben, die Sonne bricht hindurch und verzaubert den Himmel in leuchtendes Gelb und Rot. Ein wahrhafter Anblick, der eher von einer Postkarte zu sein scheint.
Am frühen Morgen wird auf der kleinen D5 westlich das Dorf verlassen. Direkt an der Fahrbahn ragt der Fels in die Höhe und Efeu ziert den Stein. Der Wald lichtet sich und ein unscheinbares Schild weist zum Cirque de Ladoye. Direkt an der Kreuzung der D 96 mit der D 5 befindet sich hoch oben ein imposanter Aussichtspunkt. Weit reicht der beeindruckende Blick in die Tiefe, welche von steilen, hohen Felswänden eingefasst wird. Hier oben kann auch schon die gleich zu befahrende Strecke gesichtet werden. Steil führt die D204 an der Felswand hinunter und folgt im Tal dem Fluss La Seille. In einem Wechselspiel aus Licht und Schatten gewinnen die Wolken. Sie gruppieren sich binnen Minuten zu einer dunklen Front und lassen Böses ahnen. Direkt am Ortseingangsschild Baume-les-Messieurs entlassen diese ihr feuchtes Nass. Schlagartig wechselt das Wetter von Sonne auf Regen.
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Im Sprint durcheilen wir eine der schönsten landschaftlichen Sehenswürdigkeit. Die hohen Felswände verschwinden hinter einem grauen Schleier aus Regen. Rasch wird im Cirque de Baume die Tropfsteinhöhle angesteuert. Aus der steilen Wand schießt ein Wasserfall im weiten Bogen hinab und der Weg führt hinter diesem hindurch zum etwas höher gelegenen Eingang. Wir betreten durch eine enge Spalte die Höhle und beginnen eine Reise in das Herz der Erde. Die Grotte de Baume gehört mit ihren Gesteinsformationen mit zu den eindrucksvollsten Höhlen. Sie erstreckt sich über eine Länge von 2.500 Metern. Ein Großteil davon kann besichtigt werden und wird mit einem Spektakel von Lichtfarben ausgeleuchtet. Andere Teile sind unbeleuchtet, dafür fliegen einem die Fledermäuse sprichwörtlich um die Ohren. Einige Grotten beherbergen Seen, in denen sich das Licht auf der glatten Oberfläche spiegelt und mit einer hervorragenden Akustik betören. Wir tauchen ein in einen Ort voller Überraschungen, und die Zeit verrinnt viel zu schnell in der Dunkelheit.
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Zwischenzeitlich haben die Wolken ihr Nass ausgeschüttet. Die Sonne gewinnt vorerst spärlich die Oberhand. Nun können wir der Kalktuffquelle des Flusses Dard in Ruhe die entsprechende Aufmerksamkeit zuwenden. Diese entspringt bei den Grotten von Baume-les-Messieurs mit einem interessanten Wasserfall. Mit unzähligen Kaskaden stürzt sich das Wasser über grün überwucherten Kalktuff in die Tiefe. Das Rauschen schluckt jegliche Geräusche im tiefgrünen Talboden. So verlassen wir diese mit weißen Felsen eingerahmte Schlucht und werfen der im Jahre 909 gegründeten Benedikinerabtei nur einen flüchtigen Blick zu. Viel mehr fesseln uns die Serpentinen aus dem Talkessel hinaus. Der Blinker wird auf rechts gesetzt, wir biegen auf die D4 ab. Nach einem ordentlichen Kurvenritt verstummen die Motoren wieder am Aussichtspunkt Les Roches de Baume. Von hier oben breitet sich ein fantastischer Blick in den riesigen Cirque de Baume aus. Weit ragen die steilen Felswände aus dem tief unten gelegenen Grün in die Höhe und rahmen ein imposantes Landschaftsbild perfekt ein. Voller Bewunderung wird unser Tagesschnitt immer weiter vor so beeindruckender Kulisse geschmälert. Während der Pause beschließen wir daher die komplette Umrundung des Kessels. Auf kleinen einsamen Straßen rollen die Räder immer weiter hinab. Zwischenzeitlich sind diese so schmal, dass dem Bauer mit seinem Traktor und dessen Viehanhänger nur die Flucht ins Grüne bleibt und uns nett grüßend zunickt.
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Nun lassen wir aber die Kuh fliegen und erreichen auf der D70 den Ort Lons-le-Saunier. Weithin leuchtet schon das große Bild von der lachenden Kuh. Vielen dürfte die rote Kuh mit den großen Ohrringen aus den Kühlregalen der Käsetheke bekannt sein. Das Jahr 1921 zählt zum Geburtsjahr der Marke „La Vache qui rit“. Es war der erste Schmelzkäse, der in einzelne Portionen aufgeteilt wurde. 1922 errichtete der Franzose Léon Bel die Fromagerie Bel im Ort und verkaufte bereits im ersten Jahr mehr als 12.000 Packungen pro Tag. Wir treten ein in die Welt der sahnig cremigen Ecken. In Kellergewölben zeigt das Museum historische Schwarz-Weiß-Filme rund um den Käse. In einem anderen Raum werden historische Maschinen präsentiert. Ein Film zeigt hier die aktuelle Produktion in einem Zusammenschnitt und lässt zum Ende eine übergroße Käseschachtel vorbeirollen. Selbst Albert Einstein wird bei so viel Historie berücksichtigt. Jedoch wird die Frage unbeantwortet gelassen, ob die Formel: „Meuh mc²“ in der Produktion Anwendung findet. Sie dient wohl eher der Aufheiterung bei so viel Käse. Alte Werbeplakate zieren die Wände und die erste Runddose „La vache qui rit“ thront einem Ehrenplatz gleich allein in einer Glasvitrine. Nach Jahrzehnten sortiert werden die Epochen der Zeit präsentiert dargeboten. Ein kleiner Käsedipp aus der Gegenwart wandert in den Seitenkoffer und lässt uns von der lachenden Kuh Abschied nehmen.
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Auf der D678 rauschen wir zügig dem Ort Pont-de-Poitte entgegen. Hier ragt wieder ein auffällig bunt gedecktes Kirchendach in den Himmel. Nach Querung des Fluss L´Ain folgen wir diesem auf kleinen einsamen Wegen, lassen den Blick immer wieder über die Wasserlandschaft gleiten und queren Clairvaux-les-Lacs. Dass dieser Ort den Namen verdient, wird sogleich mit dem Belvèdere unter Beweis gestellt. Auf der kleinen Anhöhe liegt uns der Ort zu Füßen und der Le Grand Lac spiegelt seine unterschiedlichen Grüntöne unter dem Wolkenhimmel. Eine in den Fels geschlagene Straßenbiegung eröffnet die nun folgende kurvenreiche Strecke. Kurze Zeit später erreichen wir frischen, vorerst noch schwimmenden Splitt, welcher nun die Straßenoberfläche ziert. Das Vertrauen in die französischen Reifenbäcker erlischt schlagartig. Eher liegt hier die Reifenhaftung in den Händen der französischen Straßenbauer und nach vorerst zurückhaltender Fahrweise reift die Erkenntnis: Der Belag hält und die Reifenflanken werden auf dieser Strecke wieder sauber gerubbelt. Durch die Karstlandschaft rollen die Räder immer weiter talwärts. Zwei markante Bergrücken zeigen den Eingang zur Gemeinde Saint-Claude an. Am Rand der Altstadt ragt die Kathedrale Saint-Pierre de Saint-Claude und weist uns die Richtung. Direkt an den mehr als drei Meter dicken Mauern findet sich rasch eine Parkmöglichkeit. Nachdem ein kurzer Blick auf die reiche Innenausstattung geworfen ist, zieht es uns auf der anderen Seite zu den Musée de la Pipe et des Diamants. Diese beherbergen eine Ausstellung über das Handwerk der Pfeifenherstellung sowie die Edelsteinschleiferei. Seit mehr als ein Jahrhundert wird in dieser Region das Handwerk des Steinschleifberufs ausgeübt. In Vitrinen werden Mineralien, Diamanten, Farbsteine sowie synthetische Steine ausgestellt. Völlig nahtlos schließt sich die Ausstellung über das Handwerk der Pfeifenherstellung an. In einem Video-Film wird von der Suche des benötigten Wurzelholzes bis hin zur fertigen Pfeife der gesamte Fertigungsprozess dargestellt. Weitere Vitrinen zeigen die unzähligen sowie vielfältigen Modelle und Farben und lassen uns über die Vielfalt staunen.
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Nach so viel Kultur lassen wir doch lieber nur den Auspuff auf der kurvenreichen D69 rauchen. Das nächste Ziel lautet Musée de la Lunette. Direkt am Fluss La Bienne und im Zentrum gelegen wird hier die Geschichte der Brillenstadt Morez über mehrere Etagen gezeigt. Von uralten Fassungen und die Maschinen für deren Herstellung bis zum Schutz für polare Gefilde wird die breit gefächerte Palette ausgestellt. Einige Designer durften sich im großen Stil ausleben und das außergewöhnlichste Ergebnis stellt sicherlich das Nasenfahrrad dar. Ebenso wird die Biologie des Auges betrachtet und in ungezählten Modellen auch spielerisch nicht nur den Kindern nahe gebracht.
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Unser Augenmerk wird jedoch rasch wieder auf das Motorrad fahren gelenkt. Schnell sind ein paar Straßen mit dem grünen Band zusammengeklöppelt. Rossis Jünger zeigen uns das Maß der Dinge. Wir wissen, dass wir eine passende Route gewählt haben. So kurven wir genussvoll dem Abend entgegen und genießen in einem kleinen Restaurant hoch oben über den Weinfeldern die kulinarischen Genüsse in Château-Chalon.
Die Sonne kitzelt uns morgens rasch aus den Betten. Schnell wird gefrühstückt und auf die Motorräder aufgesattelt. Nebel liegt noch im Tal und im Licht der Morgenstunde flattern die gelbgrünen Weinblätter im Wind. Auf kleinen Wegen rollen wir auf schmalsten Asphaltbändern durch die Weinfelder. Einige Blätter zeigen schon eine tiefrote Farbe und verkünden den beginnenden Herbst. Gehöfte der Bauern zieren die kleinen Verbindungswege und Tau glitzert auf den Wiesen. Wir atmen den Duft der Morgenstunde immer wieder genussvoll ein. Der Nebel schließt uns dann endgültig ein und 1000 feine Tropfen schlagen auf das Visier. Auf dem schönsten See des französischen Jura, dem Lac de Chalain, spiegelt sich nun der Morgennebel. Schwarze Umrisse der Fischer sind in der Ferne auszumachen. Die Sonne schleckert letztendlich die Wassertröpfchen auf und gibt dann einen strahlend blauen Himmel preis. Einige Fischer beeilen sich, um auch noch rechtzeitig zum Fang der frühen Stunde zu gelangen.
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Ein kurzes Anschieben des Bootes vom letzten Nachzügler und ein Petri heil lässt uns von dannen brausen. So umrunden wir den See auf der Nordseite. In Fontenu weist ein kleines Schild „Belvèdere“ den Weg. Intuitiv folgen wir diesem und werden mit einem hoch über dem türkisfarbenen See gelegenen Panorama belohnt. Eine kurze Rast muss am größten natürlichen See des Departments genügen. Wir folgen ein kleines Stück der Route des Lacs. Auf kleinen Straßen, denen selbst der Mittelstreifen fehlt, rollen wir dem nächsten imposanten Ziel entgegen. Eine unscheinbare Straße führt durch den Wald stetig bergan und die Seitenständer werden an einem kleinen unscheinbaren Parkplatz ausgeklappt. Einige Schritte müssen zu dem Aussichtspunkt Quattro Lacs zurückgelegt werden, um dann vor einem großartigen Naturschauspiel inne zu halten. In den schönsten Wasserfarben leuchtet das Nass. Hellgrün beginnt es am Ufer des Lacs du Maclu zu schimmern, um dann zur Mitte hin in ein Türkiesgrün über zu gehen. Der Lac d`Ilay beginnt ebenso mit einem farbligen Rand, um in der Mitte des Sees in einer himmelblauen Farbe zu glänzen. Der Lac de Narlay startet eher mit grauem Wasserrand und in der Ferne ist der Lac de Vernois zu sichten. Ehrfürchtig verweilen wir am Aussichtspunkt und genießen das einmalige Naturspektakel im Jura.
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Im herrlichen Sonnenschein kurven wir anschließend dem nächsten Naturschauspiel entgegen. Die Wasserfälle des Hérisson entstehen aus dem gleichnamigen Fluss am Ende einer Schlucht. Sieben Wasserfälle stürzen sich insgesamt 280 Meter in die Tiefe. Ein Wanderweg führt an den zahlreichen Kaskaden vorbei und so erreichen wir den Saut Girard. Mit 35 Metern wird er hier eher zu den kleineren gezählt. Dafür kann man mit entsprechender wasserdichter Kleidung hinter diesem hindurch gehen und im weiten Bogen prasselt das Wasser dann mit einer ständigen Gischt in das Becken. Wir bummeln weiter talwärts und entdecken die Überreste alter Mühlen, um dann den die nächste Kaskade zu bestaunen. Über die Kante eines weiten Halbkreis aus Fels stürzt hier das Wasser in die Tiefe. Um zum Höhepunkt der Cascades du Hérisson zu gelangen, entern wir die Motorräder und fahren in einem Bogen in das Tal hinab. Ein kurzer Fußweg ist nun nur noch von Nöten und das Rauschen wird von Schritt zu Schritt immer stärker. Der Vorhang aus grünen Bäumen lichtet sich und die Cascade de l’Éventail ragt steil in die Höhe. Satte 65 Meter fällt das Wasser hier ohrenbetäubend in die Tiefe. Winzig klein stehen wir vor der hohen weißen Wand aus Wasser und hängen unseren Gedanken nach. Ein paar wunderbare Tage neigen sich dem Ende zu. So kurven wir noch ein wenig durch das schöne Jura, werfen einen letzten Bilck in den Cirque de Ladoye, um in Château-Chalon den Abend gebührend ausklingen zu lassen.
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Übernachten:
Wunderschön auf einem Bergsporn gelegen bietet sich für Motorradfahrer mit französischer Sprachbarriere die Unterkunft von Eileen und Fréderic an. Er spricht englisch und gibt unzählige Tipps zur Region. Das Haus befindet sich nur ein paar Schritte von der steilen Felskante entfernt und bietet fastzinierende Ausblicke in das weite Weintal.
La Maison d’Eusébia
Rue Saint-Jean
39210 Château Chalon
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