Egli GT 750

Eins von Drei!

.

Egli 01

.

Hin und wieder im Leben kommt es anders, als man denkt. Boy ahnte nichts, als im Jahre 2013 das Telefon bei ihm klingelte. Sein holländischer Freund Roelof aus der Rennszene, der den zweitaktenen Nachlass eines Sammlers aufgekauft hatte, rief an. Dieses Telefonat sollte Boys Motorradfahrerherz sofort höher schlagen lassen, da er einen eigenwilligen Rahmen, von denen nur drei gebaut worden waren, angepriesen bekam. Jahrelang ist er bereits aktives Mitglied im Wasserbüffelclub und liebt diese Motorräder. Ihm wurde dieser Rahmen mit Zweitaktmotor und angepassten Aluminiumtank zuerst angeboten, da er durch und durch Zweitaktfan sowie begeisterter Hobbyrennfahrer ist. Sofort war klar, dass der Motor, der in diesem Stahlgestell hing, von einem Wasserbüffel, einer Suzuki GT750, stammt.
Da die „Liquid Cooled“ Plaketten an den Zylindern fehlten, musste es sich um einen Motor der ersten Generation handeln. Erst später prangten diese auf dem äußeren Wassermantel. Die Vermutung lag nahe, dass es sich um einen Egli-Rahmen handelte. Selbst die kleinste Kennzeichnung fehlte, noch war keine Fahrgestellnummer eingeschlagen. Der Aufbau bestätigte die Vermutung. Nur hatte Egli seines Wissens nie Rahmen für Zweitakter gebaut. Eine geniale Idee war auch, das Zweitaktöl im Fahrgestell zu bevorraten. Dieses Prinzip wandte Egli einst schon in den Rahmen für viertaktende Engländer an. Man nannte es zu damaliger Zeit „Oil in Frame“ oder auch kurz: OIF.
.
Egli 02 . Egli 03
.
Andere Motorradenthusiasten, die Roelof gelegentlich besuchten, lechzten auch nach diesem außergewöhnlichen Objekt. Jedoch bot er diese Besonderheit doch lieber erst einmal seinem Freund Boy an. Er solle sich kurzfristig entscheiden. Eine wirklich wahre Freundschaft wartet jedoch auch schon einmal länger dauernde Entscheidungen ab. Boy suchte bereits seit geraumer Zeit ein großes zweitaktendes Rennmotorrad für Oldtimer-Rennveranstaltungen. Nach dem Abwägen aller Fakten wurde man sich handelseinig, und so verabschiedete sich der Freund mit den Worten: “Hol schnell ab, damit mir das Zeug aus den Augen kommt!“ In den Gedanken von Boy sollten diese Einzelteile nun genau das Rennmotorrad für ihn werden. Ein Kurvenräuber nach eigenen Vorstellungen für seine Leidenschaft, der Rennerei.
So verschwand der Rahmen eine gefühlte Ewigkeit in die dunkelste Ecke und setze vorerst eine dicke Staubschicht an. Fast in Vergessenheit geraten, wurde er eines Tages aber endlich genauer in Augenschein genommen und die große Suche begann. Wer war nun der wahre Hersteller dieser eigenwilligen Rahmenbauweise mit dem darauf abgestimmten Tank und dem eingebauten Suzuki Motor?
Eine Identifikationsnummer war nicht vorhanden, welche sicheren Aufschluss hätte geben können. Immer weiter reifte die Erkenntnis, dass es sich um einen EGLI Rahmen handeln muss.
Also fragte Boy bei der EGLI Motorradtechnik AG in Bettwil an. Die Antwort war im ersten Augenblick niederschmetternd: Man wisse nichts über diesen Rahmen, hätte die Anfrage jedoch an Herrn Fritz W. Egli weitergeleitet. Wenige Tage später meldete sich der 79-jährige Herr Egli auf die Mail. Das Rätsel wurde nun endlich gelöst. Bei diesem Rahmen handelte es sich tatsächlich um ein Versuchsobjekt für den Wasserbüffelmotor aus der Suzuki GT 750. Genau drei Rahmen ohne Fahrgestellnummern wurden zu damaliger Zeit gefertigt. Das saß! Die Spucke blieb weg und die Gefühle fuhren eine Ewigkeit Achterbahn! Was für ein Glücksgriff! Nachdem die Emotionen sich wieder legten stellte sich erneut die Frage: Was macht man mit solch einer Rarität? Dass dieses absolute Einzelstück nicht für den heißen Ritt auf der Rennstrecke herhalten muss, war recht schnell klar. Die Vorstellungen vom fertigen Motorrad mussten vollkommen neu sortiert werden. So sollte es nun ein besonderer Café Racer werden, der auf Klassikerveranstaltungen mitzufahren kann. Bei der Suche nach Ideen und Lösungen stieß Boy dann auf die Firma Extremebikes. Ein kurzes Telefonat später, machte Boy sich samt Rahmen, Motor und Tank auf den Weg zur Fighter- und Customschmiede in Freiberg.
Diese drei Teile waren der Startpunkt eines neuen, ausgefallenen Motorrades. Gemeinsam besprach man ausführlich seine Vorstellungen. Der vorhandene angepasste Tank erschien wuchtig. Die Verkleidung sollte mit dem Aluminiumtank, sowie dem extra angefertigten Einzelsitz und dem Sitzhöcker eine Linie ergeben. Die Schwinge mit Unterzug stammt von einer Kawasaki ZRX 1200. Vorne übernahm die Federung eine Telegabel von der Honda CBR 900. Der Style der Stoßdämpfer hinten war von Anfang an klar: Oldschool! Von angepappten Ausgleichsbehältern wollte Boy weder etwas wissen noch wollte er sie am Motorrad sehen. Auch musste das Rahmendreieck unbedingt frei bleiben. Lange suchte er nach passenden Rädern, bis er im Internet auf PVM-Räder stieß. Unzählige Mails und Ideen später war das Grundgerüst vom Motorrad endlich fertig. Boy musste für die Feinabstimmung von Sitzposition einige Male vor Ort vorstellig werden, dass dabei immer wieder der Blick auf die optische Erscheinung abschweifte, dürfte kaum verwundern.
.
Egli 13 . Egli 14
.
Als besondere Herausforderung stellte sich die Auspuffanlage dar. Ursprünglich sollte auf der rechten Seite zwei und auf der linken Seite ein Auspuffrohr verlaufen. Auch hier stand wieder der holländische Freund vermittelnd zur Seite und half weiter. Nach ausdauernder Überzeugungsarbeit wurde ein ehemaliger Rennauspuffbauer für das Projekt aus dem verdienten Ruhestand aktiviert. Für das außergewöhnliche Motorrad musste er unbedingt noch diese eine Auspuffanlage fertigen. Außer ein paar Bildern bekam der Ruheständler aus Holland nichts zu sehen. Das Motorrad befand sich nach wie vor in Freiberg. Kunst, Erfahrung und jahrelanges Können erschufen förmlich blind den einzigartigen Schalldämpfer. Dieser wurde dann jedoch in Einzelteilen geliefert. Die Anpassung und das finale Zusammenschweißen des Puzzles blieben nun der Firma Extremebikes vorbehalten. Dies war auch gut so, denn nun konnte direkt vor Ort nach der besten Platzierung am Motorrad gesucht werden. Etienne hielt die drei Endstücke direkt unter das Heck. Ohne zu zögern wurde diese Position sofort festgelegt. Nun musste das Puzzle Auspuffanlage Stück für Stück angepasst und zusammengeschweißt werden. Mit der letzten gezogenen Schweißnaht verwandelten sich die angefertigten Einzelteile zu einem rauchenden Traum. Was dabei herauskommt, wenn ein alter Rennfahrer eine Anlage „blind“ fertigt, lässt so manchen Serienhersteller und Auspufffetischisten mächtig blass um die Nase werden.
.
Egli 04 . Egli 05
.
Erst dann begann die Qual der Farbwahl! Welche sollte es sein? Hell oder Dunkel? Noch war alles möglich. Rein zufällig fielen ihm dann Bilder aus den siebziger Jahren in die Hände. Das Suzuki GT-Gold funkelte immer noch wie am ersten Tag aus den alten Prospekten. Es hatte ihm schon früher am besten gefallen. Die Entscheidung war damit endlich gefallen. Zusätzlich mussten auch die weißen Streifen zum optischen Verschlanken unbedingt mit dabei sein. Der Lackierer lieferte die Idee mit den Egli 750 Schriftzügen gleich mit dazu. Da es ursprünglich ein Motorrad für den Renneinsatz werden sollte, fragte Etienne, welche Startnummer es tragen sollte. Wieder musste ein weiteres Detail überdacht werden, um das sich Boy bisher keine Gedanken gemacht hatte. Hier lieferte er auch wieder die perfekte Idee. Auf den ersten Blick schaut es nach der Startnummer dreizehn aus. Aber weit gefehlt. Dem aufmerksamen Betrachter fällt der kleine Schriftzug „von“ auf. So erklärt sich das Rätsel recht einfach: Eins von Drei! Es wurden drei Rahmen gebaut und davon ist es einer! Fertig! So einfach können eben geniale Lösungen sein. Die Farbgebung des Rahmens sollte dem Original der damaligen Zeit angelehnt sein. Oftmals waren diese vernickelt oder verzinnt. So wurde der Rahmen in diesem Farbton pulverbeschichtet. Ganz nebenbei war es auch finanziell der bessere Weg. Viele Köpfe lieferten so viele Ideen, die das Gesamtkonzept der schlichten, wunderschönen Lackierung erschufen.
.
Egli 06 . Egli 07
.
Fast nebenbei mussten die unendlich vielen Kleinigkeiten überdacht werden. So integriert sich selbst der Kraftstoffhahn passend in das Gesamtkonzept. Auch wenn noch ein wenig Feinjustierung hier und dort fällig war. So richtig teuer wurde es dann noch einmal bei der Kupplungs- und Bremsarmatur. Hier mussten wieder unzählige Probanden den kritischen Blick über sich ergehen lassen. Letztendlich haben die ISR-Armaturen dann den Zuschlag erhalten. An diesen ist alles einstellbar, was man sich vorstellen kann. Dass der Hebelabstand der Hand angepasst werden kann, stellt zwischenzeitlich fast den Serienstand dar. Dass jedoch auch der Druckpunkt und die Druckkraft justiert werden können, lässt aufhorchen. Auch integriert sich der Blinkerschalter harmonisch und verlangt erst einmal eine kurze Einweisung zur Funktion. Die Übersetzung des Endantriebes wählte man auf Durchzug, statt auf Endgeschwindigkeit. Unter dem Sitz wurde die Batterie versteckt, um die klaren Linien nicht zu stören. Dass bereits beim Bau des Rahmens der Vorrat des Öls im selbigen berücksichtigt wurde, rundet das Konzept final ab.
.
Egli 09 . Egli 08
.
Nach dem ersten Druck auf den Anlasserknopf musste dann noch einmal der Motor geöffnet werden. Eine Zylinderfußdichtung war undicht. Auch stellte sich hierbei heraus, dass das Triebwerk nicht unangetastet war. Polierte Kanäle und eine geänderte Verdichtung kamen an das Tageslicht. Sogar die Kurbelwelle war feingewuchtet. K&N Luftfilter sorgen für die Frischluftversorgung. Die Leistung wird auf 100 PS geschätzt. Ein abschließender Prüfstandlauf steht noch aus. Der TÜV hat jedoch bereits seinen Segen auf dieses ungewöhnliche Motorrad gegeben. Fasziniert und augenscheinlich geblendet vom Traum auf zwei Rädern fiel den Prüfern nicht einmal der fehlende Rückspiegel auf. Nachdem dieses einzigartige Motorrad wieder den Weg auf die Straße findet, wurden alle Rennträume mit diesem Motorrad nun endgültig begraben. Von den drei produzierten Egli 750 darf endlich wieder ein weiteres auf die Straßen der Welt zurück. Ein zweites wurde auf einer Rennveranstaltung in Assen gesichtet. Das Dritte bleibt bis heute spurlos verschwunden. So haltet stets die Augen offen, vielleicht wird das ja Euer Traum und Glücksgriff zu einem einzigartigen Motorrad!

.

Egli 11 . Egli 10

.

Rahmen: Egli
Motor: Suzuki GT 750 J, ca. 100PS
Motortuning: Aufgebohrt, Kanäle bearbeitet, Kurbelwelle feingewuchtet, Verdichtung erhöht, Elektronikzündung
Schwinge: Kawasaki ZRX 1200
Telegabel: Honda CBR 900 SC28
Stoßdämpfer: IKON
Auspuff: Einzelanfertigung
Aluminiumtank mit ca. 25 Liter
Avon Verkleidung mit MMB-Instrumente
ISR Armaturen
Wave Braking Bremsscheiben
Original Suzuki GT-Goldlackierung

.

Egli 12

.